Tag: 12. Februar 2010

Anstrengungslose Dekadenz und spätrömischer Wohlstand

Da haben wir sie, die geistig-politische Wende à la Guido: “Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein.” Nein, nein, unser Außenminister und größter Historiker aller Zeiten meint natürlich nicht den anstrengungslosen Wohlstand durch Steuerhinterziehung und Schwarzgeld-Konten in Bern oder Vaduz. Das wäre womöglich die passende Analogie. Denn neben dem Druck anderer Völker war es vor allem die Dekadenz der römischen Elite, ihre Verfaultheit und Korruptheit, ihre Prunksucht und maßlose Gier, die dem römischen Reich den Garaus machte. Aber Wendeexperte Guido meint eben nicht Bänker und Finanzjongleure, Steuerhinterzieher oder leistungslose Prasser samt ihrer neoliberalen Apologeten, sondern jene, die jetzt höhere Hartz-IV-Sätze fordern. Ein schamloses Argument und ein schamloser Mann. Spiegel-Online: “Eine historisch unhaltbare, perfide, aus rein politischem Kalkül betriebene Beleidigung des schwächsten Teils der deutschen Bevölkerung. (…) Guido der Seher hätte also von materieller Dekadenz in Deutschland sprechen können, über die Banker zum Beispiel, die nach einer Krise, an deren Folgen die ganze Welt leidet und die sie maßgeblich verantwortet haben, nun fette Boni einstreichen. Und er könnte – ohne dem Stammtisch das Wort zu reden – auch vom lebensfernen Dasein der Berliner Classe Politique berichten, von fahrbereitschaftlich zur Verfügung gestellten Luxuskarossen, von Empfängen und Anlässen, bei denen Büffets aufgetürmt sind, so reichlich bestückt, das noch jedem Hartz-IV-Empfänger der Magen übergehen würde. Aber Westerwelle ist Chef einer Partei der Besserverdienenden, einer Elitenpartei. Und einer FDP, die – und hierin steckt womöglich der größte Affront – derzeit zumindest nach außen hin als intellektuell verkommen erscheint. Sie betet den Liberalismus als Glaubensbekenntnis herunter, nur um gleichzeitig ihrer Klientel großzügige Staatsgeschenke zu überreichen, die jeder liberalen Marktlogik widersprechen.” Die einst große FDP, die eine Idee vom bürgerlichen Zusammenhalt hatte unter Walter Scheel und Karl-Hermann Flach, unter  Gerhard Baum oder Wolfgang Mischnik, unter Irmgard Schwaetzer oder Günter Verheugen, diese FDP ist heute verkommen, wenn Guido Westerwelle Maßstab für die ganze Partei ist. Kein Begriff vom Gemeinwesen, keine Idee vom Gemeinwohl. Partikularinteressen, Klientelpolitik, die ganze Breite des politischen Spektrums zusammengeschrumpft auf das Mantra der Steuersenkung. Weiterlesen