Schlagwort: Wachstumsbeschleunigungsgesetz

Gute Nachrichten

Nachrichten in WDR 5. Ich traue meinen Ohren kaum. Norbert Lammert, Bundestagspräsident und mithin Inhaber des zweithöchsten Staatsamtes in der Bundesrepublik, kritisiert die eigene Bundesregierung heftig. Das gemeinsame Projekt der Regierung sei “nicht mehr zu erkennen“. Die schwarz-gelbe Koalition verbinde bestenfalls der Ehrgeiz, “ihre jeweiligen Steckenpferde gegeneinander in Stellung zu bringen”, sagte der CDU-Politiker. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz etwa, das zum 1. Januar in Kraft tritt, enthalte “neben manchen sinnvollen auch manche zweifelhafte und einige, wie ich finde, schlicht misslungene, auch nicht vertretbare Regelungen”. Die Kritik bezog sich vor allem auf die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Übernachtungen in Hotels von 19 auf 7 Prozent. Die im Gesetz enthaltenen Neuregelungen seien in der Euphorie über das Wahlergebnis zu schnell zusammengebastelt und auf den Weg gebracht worden, so Lammert. Er betonte, dem Paket ausdrücklich nicht zugestimmt und mit Nachdruck für eine andere Vorgehensweise geworben zu haben. Der Bundestagspräsident erwarte mehr Sorgfalt beim nächsten Gesetzgebungsprozess wie der geplanten Steuerreform. Spannend.

Skilifte, Tiere und Hotels

Angefangen habe ich mit diesem Blog, weil ich im Zusammenhang mit der vergangenen Kommunalwahl Kritik geäußert habe an den Strategien und am Auftreten von Parteien hier in Wermelskirchen, an ehrenamtlichen Parteivertretern und Kommunalpolitikern. Die Lust aber, sich einzumischen, Kritik zu formulieren, Parteivertretern aufs Maul zu schauen, diese Lust läßt doch gewaltig nach angesichts dessen, was professionelle Politiker, Parteien und Parteivertreter auf Bundes- oder Landesebene so alles zu Wege bringen. Wachstumsbeschleunigungsgesetz, so nennen CDU, CSU und FDP ein Gesetz, das Hoteliers fördert, Kinder armer Familien aber, die auf Sozialtransfers angewiesen sind, gegenüber Kindern wohlhabenderer Familien benachteiligt oder das Erben der Schwester vom Bruder erleichtert. Der komplette Wirtschaftsverstand des Landes, alle Experten ohne jede Ausnahme, alle Beobachter halten dieses Gesetz für vollständigen Unsinn und keinesfalls für eine Maßnahme, die Wachstum beschleunigen könnte. Gleichwohl: Die verantwortlichen Parteien, CSU, FDP und CDU, sind vollkommen beratungsresistent. Skilifte ermäßigter Mehrwertsteuersatz – Babywindeln voller Steuersatz, Tierfutter ermäßigt – Arzneimittel voll. Deutschland im Jahre 2009, dem Jahr der weltweiten Finanzkrise: Wir fördern Skilifte, Tierhalter und Hotels. Hört sich nicht nur bescheuert an – ist auch so. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund beziffert die Mindereinnahmen aus dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz mit 1,6 Mrd. Euro jährlich und fordert eine Kompensation für Städte und Gemeinden. “Die kommunalen Haushalte sind komplett überfordert, die Finanzlage vieler Kommunen ist verheerend, uns droht die Handlungsunfähigkeit”, so Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes. Die Steuereinnahmen brechen immer weiter ein, allein bei der Gewerbesteuer ist ein Rückgang von über 17 % zu verzeichnen. Gleichzeitig explodieren die Sozialausgaben und werden im nächsten Jahr über 41 Mrd. Euro ausmachen. Die Städte und Gemeinden werden gezwungen, die Leistungen für die Bürger weiter einzuschränken, die Investitionen zurückzufahren und die Verschuldung weiter zu erhöhen. Wachstum? Beschleunigung? Da kann man nur noch irre kichern. Und man wird milde, ausgesprochen milde angesichts dessen, was Kommunalpolitiker in den vergangenen Wochen und Monaten so angerichtet haben.