Schlagwort: Liberalismus

Neue Liberale Partei

Der Liberalismus als politische Idee hat Schaden genommen, keine Frage. Man verbindet damit nicht mehr das, was in den philosophischen Texten von Karl-Hermann Flach oder Ralf Dahrendorf steht. Man assoziiert damit nur noch negative Begriffe wie Egoismus, Gier, Rücksichtslosigkeit, Opportunität und Beliebigkeit. (Karim Najib, Neue Liberale Partei, im Interview mit ntv am sechsundzwanzigsten September)

Mitfühlendes Antlitz

Der Sozialismus mit menschlichem Antlitz. Antlitz. Welch schönes Wort. Angesicht, Gesicht. Weniger schön ist hingegen die Wortverbindung Sozialismus und menschliches Antlitz. Besagt sie doch, daß es den Sozialismus auch gab oder gibt ohne jenes menschliche Angesicht. Ähnlich verhält es sich mit der Wortverbindung von Liberalismus und mitfühlend. Der mitfühlende Liberalismus ist die Erfindung der FDP-Boygroup, also der Lindners und der Röslers. Bedeutet mitfühlender Liberalismus nicht, daß der Liberalismus, wie er zuvor verstanden wurde, zumindest in der Westerwelleära, eben nicht mitfühlend war. Wie das menschliche Antlitz den Sozialismus maskiert hat, so ist das “mitfühlend” die Maskerade des Liberalismus. Sie gibt eine Eigenschaft vor, die dem derzeitigen Liberalismus eben nicht eigen ist. Die des Mitfühlens, der Empathie. Der Liberalismus soll als sympathischer Liberalismus das Bild der  sozialen Kälte neoliberaler Politik übertünchen. Liberalismus in seiner aktuellen Ausprägung ist eine politische Ideologie, die ihren zentralen Begriff aus dem Gegensatzpaar Staat und Individuum destilliert. Mehr Rechte fürs Individuum, weniger für den Staat. Nicht einmal das Recht für den Staat, sozial bedrängten, in Not geratenen Menschen Hilfe zu leisten. Der Markt soll es richten, selbst die Linderung der Not Einzelner. Mitfühlender Liberalismus. Klingt zunächst gut. Wie menschliches Antlitz. Ist aber ein schierer Täuschungsversuch. In der konkreten Politik bleibt es beim radikalen Marktgedanken, bei der Fesselung des Staates. Zudem: Mitfühlen ist Mitleid, im besten Fall. Ist aber keine Handlungsstrategie, kein politisches Konzept. Mitfühlender Liberalismus ist wohlfeil. Wohlfeil ist ein ebenso schönes altes Wort wie Antlitz. Es bedeutet billig, zu einem günstigen Preis. Im übertragenen Sinne meint wohlfeil aber auch geistlos, ohne intellektuelles Niveau.

“Extremisten der Mitte”

Als “Extremisten der Mitte” bezeichnet Franz Walter, Göttinger Politikwissenschaftler und Parteienforscher, in seiner Analayse in Spiegel Online von heute die FDP. “Die FDP macht sich zum Gespött der deutschen Politik. In elf Jahren Opposition ist sie erstarrt, zu einer verbohrten Steuersenkungspartei geworden. Die Liberalen beharren auf veralteten Positionen – während Union, SPD und Grüne ideologischen Ballast abgeworfen haben. (…)  Die Liberalen haben ihre elf Jahre in der Opposition konzeptionell ungenutzt verstreichen lassen. (…) Die FDP hatte sich im Kern auf das Steuersenkungsdogma reduziert. Sie war wirklich thematisch zur SSP geschrumpft – der Steuersenkungspartei. (…) Merkwürdig – schließlich haben sich seit den späten neunziger Jahren Christdemokraten, Grüne und Sozialdemokraten erheblich gewandelt. Sie haben in viele Positionen revidiert, die lange als unantastbar galten. An allen drei Parteien sind die großen gesellschaftlichen Veränderungen der vergangenen zwei bis drei Jahrzehnte nicht eben spurlos vorrübergegangen. (…) Allein die Freien Demokraten, die Befürworter offener Systeme, die Künder der undogmatischen Flexibilität, die Herolde des empirischen Pragmatismus sind starr in den neunziger Jahren stehengeblieben. Eine Diskussion über die Ambivalenzen entregulierter Märkte? Über Eigenverantwortung ohne Solidaritätsbezüge? Derlei Debatten haben die Freien Demokraten gemieden und stattdessen stets auf ihre verstaubten programmatischen Grundsätze von 1997 hingewiesen, mit der Attitüde: Ihr Liberalismus galt, gilt und wird auch weiter gelten. Der Liberalismus der FDP ist derzeit das einzige dogmatisch angewandte politische Reglement. Die weltanschaulichen Systeme wie der sozialdemokratische Sozialismus, die grüne Politische Ökologie oder der christdemokratisch vereinnahmte Katholizismus haben sich dagegen ihrer orthodoxen Kerne entledigt. Mit dem Eintritt der FDP in die Bundesregierung kehrte ‘ein doktrinäres Element auf die politische Bühne zurück’, wie es schon Mitte Oktober 2009 der Soziologe Wolfgang Engler prognostiziert hatte.” Welch kluges Wort: Extremismus der Mitte.