Schlagwort: Kommunalwahl

Ödnis

“In Ägypten und Libyen sterben Menschen für ihr Wahlrecht, aber in Wermelskirchen haben gerade mal 20 Prozent ihren Hintern hoch gekriegt.” Der Bürgerbeschimpfung des FDP-Fraktionsvorsitzenden Manderla mag man sich angesichts der äußerst dürftigen Wahlbeteiligung an der Landratswahl vom vergangenen Sonntag – nur etwa zwanzig Prozent der Wahlberechtigten in Wermelskirchen hatten sich beteiligt –  im ersten Moment sogar anschließen. Einen Moment später aber wird man die Frage stellen müssen: Tragen nicht die Parteien ein gerüttelt Maß Schuld an der Wählerlethargie? Und wieder einen Moment später wird man diese Frage bejahen müssen. Gewiß, da hingen und hängen ein paar Plakate an den Laternenpfählen in der Stadt. Und die beiden Zeitungen haben auch die Kandidaten der Parteien vorgestellt. Aber: Reicht das aus, um ein öffentlich nicht sehr bekanntes Amt, das des Landrats, das zudem noch in der Kreisstadt Bergisch-Gladbach angesiedelt ist, also weit weg vom Schuß, den Wermelskirchener Bürgern interessant zu machen? Haben die Parteien den Menschen erklärt, was ein Landrat ist, was er macht, welche Befugnisse er hat, was das alles mit der Stadt zu tun hat, warum es also wichtig wäre, sich einzubringen, sich zu interessieren, wählen zu gehen? Nein! In den Gremien der Parteien sind die Kandidaten auserkoren worden, in den Hinterzimmern, wie immer. In diesen Hinterzimmern haben die Parteistrategen auch den Wahlkampf beschlossen, der zum desaströsen Wahlergebnis geführt hat. Zu einem für alle Parteien desaströsen Wahlergebnis. Diese Landratswahl in Wermelskirchen hatte keinen Sieger. Alle Parteien haben gemeinschaftlich verloren. Menschen, Wähler, Interesse. “Sogar Leute, die sich eigentlich für Politik interessieren, haben mich gefragt: Wie, was für eine Wahl?” So zitiert die Bergische Morgenpost den CDU-Fraktionsvorsitzenden Volker Schmitz. Und den  SPD-Fraktionsvorsitzenden Jochen Bilstein treibt die Sorge  um, daß sich die erbärmliche Wahlbeteiligung auch bei künftigen Kommunalwahlen fortsetzen könnte. Allen Parteien fällt als erste Antwort lediglich ein, daß der Kreis, der Landrat, die Kreisstadt zu weit weg seien vom Nordkreis, von Wermelskirchen. Die Landratswahl sei offensichtlich an den Menschen vorbei gegangen. Viele wussten gar nicht so recht, worum es bei der Landratswahl überhaupt ging. So Parteivertreter zur Presse. Wem lasten die Parteien das denn eigentlich an, wenn nicht sich selbst? Es ist doch ihre genuine Aufgabe, die Menschen zu gewinnen, sie zu interessieren, sie vertraut zu machen mit den kommunalen Belangen. Es ist doch Aufgabe der Parteien, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, ihnen deutlich zu machen, was auf der kommunalen Ebene diskutiert, verhandelt, entschieden wird. Nein. Mir ist die Antwort der Parteivertreter, aller Parteien, zu billig, sich lediglich hinter dem mangelnden Interesse der Bürger zu verstecken. Die Existenzberechtigung der Parteien schwindet, wenn sie immer weniger in der Lage sind, Menschen zu interessieren, ihnen Orientierung zu bieten, sie zu organisieren. Parteien wirken, jedenfalls auf kommunaler Ebene, eher nach innen. Sie sind nicht mehr Träger und Motor der politischen Kultur, immer weniger akzeptierte Akteure und Beförderer des Gemeinwesens . Das Ergebnis ist  kommunalpolitische Dürre, politische Ödnis. Abzulesen an der Landratswahl. Abzulesen an der Beteiligung an den Debatten über die kommunale Sparliste am kommenden Samstag.

Neue Sachlichkeit in Wermelskirchen

Plakate überschwemmten die Stadt, Wahlplakte der politischen Parteien, in beiden Lokalzeitungen waren beinahe täglich hämische und beleidigende Äußerungen zu lesen über Bürgermeister oder Bürgermeisterkandidaten, die Leserbriefspalten waren voll, ebenfalls teils äußerst beleidigend, Flugblätter und Flyer allerorten, ein Schlagabtauch auf bemerkenswert niedrigem Nievau. Kommunalwahlkampf in Wermelskirchen. Im August des vergangenen Jahres. Am 12. August 2009 habe ich dann meinem Ärger über das unterirdische Niveau der politischen Auseinandersetzung Luft gemacht. In diesem Blog. “Mir reicht’s” hieß mein erster Beitrag. Seither schreibe ich mehr oder weniger regelmäßig meine sehr subjektiven Wahrnehmungen an dieser Stelle nieder oder kommentiere das eine oder andere. Derzeit sogar ganz ohne größere Erregung, jedenfalls, was die Verhältnisse in Wermelskirchen angeht. Denn heute ist es vergleichsweise ruhig in der Stadt. Keine Plakate, kein giftige Häme, die neue Sachlichkeit ist eingezogen – nachdem CDU und SPD eine deftige Quittung der Wähler kassiert hatten. Selbst an den Namen des gemeinsamen Kandidaten von CDU und SPD kann man sich nur noch mit Mühe erinnern. Der Wahlkampf ist vorbei und die Zeit heilt alle Wunden. Gottlob.

Mir reicht’s – noch nicht …

Mit dem Ausruf: “Mir reicht’s!” hat das alles hier angefangen, am 12. August. Der erste Absatz meines ersten Beitrages hier lautete: “Ich bin 58 Jahre alt und lebe seit nunmehr 30 Jah­ren in Wermelskirchen. Kommu­nale Poli­tik nehme ich vor allem über die Berichter­stattung der beiden lokalen Zeitun­gen  wahr.  Einer Partei gehöre ich nicht an, ich schreibe keine Leserbriefe und ich mische mich nicht ein. Mein Interesse an kommu­nalen Vorgängen dürfte so eingeschränkt sein wie bei vielen ande­ren Bürgern dieser Stadt auch. Und, ich gebe es gerne zu: Von vielen Dingen, die auf komm­una­ler Ebene ge­regelt werden müssen, habe ich nicht genug oder keine Ahnung.” Das alles ist immer noch so, inclusive der Altersangabe. Nur eines hat sich geändert: Ich habe nach dem verheerenden Ergebnis der Bundestagswahl – wie im übrigen viele andere Menschen im ganzen Land auch – die Gastmitgliedschaft in der SPD beantragt und erworben. Wer derart geschunden ist, am Boden liegt, wie die SPD, im Bund, im Land und am Ort, der braucht Zuspruch, Hilfe und Solidarität, Mitarbeit. Vielleicht auch mehr kritische Geister, mehr unabhängige Köpfe, die das ihrige dazu tun, mitreden, Debatten entfachen, Kritik üben, so daß die einst große und bedeutende Sozialdemokratie wieder erstarkt. Ein Jahr lang darf ich jetzt für einen minimalen Beitrag mitreden, mitdiskutieren. Weiterlesen

Ins Aus manövriert

“Zählgemeinschaften etwa im Zusammenhang mit der Wahl der stellvertretenden Bürgermeister wird es mit der SPD-Fraktion in der kommenden Ratsperiode definitiv nicht geben.” So zitieren beide Lokalzeitungen heute morgen einen Beschluß der Wermelskirchener SPD-Fraktion. Was so dürr formuliert wurde, bedeutet praktisch eine gewaltige Zäsur im Wermelskirchener Politikbetrieb: Christel Reetz, sozialdemokratisches Urgestein in Wermelskirchen, wird wohl kaum mehr stellvertretende Bürgermeisterin bleiben können. Obwohl Bürgermeister Weik wie die ihn tragenden Ratsfraktionen genau das vorgeschlagen haben. “Christel Reetz war eine sehr gute Stellvertreterin.” Mit diesen Worten zitiert die Bergische Morgenpost Bürgermeister Weik. Sie habe in der vergangenen Wahlperiode eine hervorragende und vor allem auch überparteiliche Arbeit geleistet, wie es dieses Amt erfordere.

Was ist bloß in die örtliche SPD gefahren? Läßt es sich im Schmollwinkel wirklich so gut leben? Hat die SPD noch so viele politische Persönlichkeiten im Ärmel, mit denen sich nach der desaströsen Kommunalwahl noch Staat oder Stadt machen läßt? Kann man das miserable Ansehen, das die SPD derzeit in der Bevölkerung genießt, mit Fundamentalverweigerung wirklich verbessern? Fängt so wirklich die Aufarbeitung des katastrophalen Kommunalwahlergebnisses in Wermelskirchen an?

Ich kann nicht glauben, daß in dieser Angelegenheit das letzte Wort schon gesprochen worden ist.

“Orts-SPD begrüßt Linksruck”

So meldet es heute die Bergische Morgenpost. Rainer Bleek, Chef der hiesigen Sozialdemokraten, hält eine personelle und programmatische Erneuerung “auf Bundesebene für wichtig”. “Wir müssen wieder stärker Profil zeigen. Die sozialpolitische Kernkompetenz ist in der großen Koalition verloren gegangen. Daher ist der jetzige Linksruck ein Schritt, der völlig nachvollziehbar und richtig ist.”

Interessant. Auf Bundesebene.

Zwar räumt Rainer Bleek im Interview mit der Morgenpost ein, daß es auch auf lokaler Ebene nicht so richtig laufe, aber da die Personaldecke nicht ausreichend sei, könne hier eine personelle Erneuerung nicht stattfinden. “Wir haben eine vernünftige Sachpolitik in der jetzt zu Ende gegangenen Wahlperiode gemacht.” Die sei dann “in der Wermelskirchener Konstellation von SPD und CDU nicht rübergekommen”.

Also hat die SPD in Wermelskirchen eher ein Kommunikationsproblem. Und dennoch solle eine Strategiedebatte innerhalb der Partei stattfinden. Im künftigen Rat verstehe sich die SPD als Oppositionspartei, wenngleich es für seine Partei kein “Blockdenken” (mehr?) gebe. Das Profil der SPD müsse mit Blick auf die Landtagswahlen im Mai in Richtung Soziales und Bildung geschärft werden.

Das verstehe nun, wer will. Ich halte es für fraglich, ob in einem Stadtrat überhaupt nach dem Muster von Regierung und Opposition agiert werden kann. Und Blockdenken, das ist es doch, was zur desaströsen Niederlage bei der Kommunalwahl wesentlich beigetragen hat. Der gemeinsame Block mit der abgewirtschafteten CDU war für die Sozialdemokraten das Verhängnis. Wenn man sich nun vorschnell die Oppositionsrolle schnappt, dann kann von einer Auflösung des Blockdenkens wahrlich keine Rede sein. Denn die andere Partei des Blocks, die CDU, die sitzt doch wohl auch auf den harten Bänken der Opposition.

Nein. Ich finde, die SPD hat allen Grund, selbstkritisch die gewählte Strategie der letzten Jahre zu analysieren. Es geht eben nicht nur um eine Strategie bis zu den nächsten  Landtagswahlen. Um die geht’s auch. Aber wichtiger noch scheint mir zu sein, eine eigenständige Vision von Kommunalpolitik, ein neues Profil zu entwickeln, neue Menschen zu gewinnen, sich neu einzubringen, nachdem man öffentlich Fehler als Fehler eingestanden hat  und dann um neues Vertrauen bei den Bürgern werben kann.

Das ist auf lokaler Ebene keine Opposition.

Abgetaucht

Jeden Tag die gleiche Übung: Am Laptop mal eben nachschauen, was es auf den Homepages von SPD und CDU so alles an Neuigkeiten gibt. Und jeden Tag das gleiche Ergebnis: Bei der CDU sammelt der ehemalige “Bürgermeister für Wermelskirchen”, H.-D. Husfeldt, immer noch Hundescheiße auf – unter der Rubrik “Impressionen”, die letzte Pressemeldung ist vom 27. August, als  es noch keine Kommunalwahl gegeben hatte. Bei der SPD ein vergleichbares Resultat, nur ohne Hundescheiße. Immerhin haben die Sozialdemokraten die Wahlniederlage zur Kenntnis genommen und in Auszügen ein Morgenpost-Interview mit dem Vorsitzenden Rainer Bleek eingestellt. Ansonsten: Aktualisierungen nur hinsichtlich der Bundestagswahl. Abgetaucht. Beide Parteien.

Kläglich.