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Der Staat gegen Fritz Bauer

Der Staat gegen Fritz Bauer. Kirchenkino in Wermelskirchen. Im Film-Eck. Gestern, eben. Ein Polit-Thriller aus den jungen Tagen der Bundesrepublik. Fünfziger Jahre. Adenauer-Muff. Die steife, angepaßte, geschniegelte, formierte Nachkriegsgesellschaft. Naziseilschaften. In der Justiz. In Geheimdiensten. In der Polizei. Sonstwo. Fritz Bauer? Jurist, Jude, Atheist, Sozialdemokrat. Und schwul. Von den Nazis inhaftiert. Im Exil in Dänemark. Dann Generalstaatsanwalt in Hessen. In beklemmender Umgebung. Ein kompromißloser Mann. Ein Vielleser. Ein sturer Mensch. Ein unbeugsamer Kämpfer. Ein Humanist. Ein Demokrat. Fritz Bauer. Ein Vorbild. Ein Unbeugsamer. Ein kraftvoller Streiter. Fritz Bauer war daran beteiligt, Adolf Eichmann, den Organisator der Judenvernichtung, in Argentinien ausfindig zu machen. Fritz Bauers Beharrlichkeit war entscheidend für die Durchführung des großen Auschwitz-Prozess Neunzehnhundertdreiundsechzig in Frankfurt. Ein großer Film. Bis in die Ausstattung der piefigen und miefigen fünfziger Jahre. Pfarrer Ulrich Seng führte, wie immer, kenntnisreich in den Film und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ein und illustrierte die Person Bauers anhand eines biographischen Details, daß nämlich für Bauer das Strafrecht eine lehrende, bildende, ja, pädagogische Funktion für die Gesellschaft habe. Der Staat gegen Fritz Bauer wiederum ist ebenfalls ein Lehrstück. In Geschichte. Sozialkunde. Politik. Philosophie. Ethik. Erneut ein gelungener Beitrag des örtlichen Kirchenkinos zum Holocaust-Gedenktag. Wie immer mit kurzer anschließender Diskussion und Vertiefung. Am zweiten März gibt es wieder Kirchenkino im Film-Eck. Um zwanzig Uhr. Dann mit einer Familiengeschichte. Vormerken. Unbedingt.

 

Selfie im Kirchenkino

Mit Händen zu greifen war die Beklemmung, die sich gestern Abend im Film-Eck ausgebreitet hatte, als im Rahmen des  Kirchenkinos der Film „Wir sind jung. Wir sind stark.“ des afghanischstämmigen Filmemachers Burhan Qurbani gezeigt wurde. Ein gewaltiges Werk, das die fremdenfeindlichen Krawalle von Rostock-Lichtenhagen vom August Neunzehnhundertzweiundneunzig thematisierte und eindringliche Bilder vom hässlichen Deutschen inszenierte, vom braunen Mob, von der irren Gewalt gegen Fremde und der irren Lust an der Gewalt. Gezeigt wird eine Gesellschaft ohne Zivilität, ohne Courage, eine Gemeinschaft der Mitläufer und Mittäter. Jugendliche, noch ohne sicheren Platz im Leben, geraten ohne zielgerichtete Absichten in die von Neonazis gesteuerte Szene der gewalttätigen Fremdenfeindlichkeit und machen schließlich mit im Reigen von Wut, Gewalt, Zerstörung, Haß. Gezeigt wird Rostock-Lichtenhagen Neunzehnhundertzweiundneunzig. Verstanden wird durchaus Deutschland Zweitausendundfünfzehn, heute. Der Film hält uns mit der dreiundzwanzig Jahre alten Geschichte einen aktuellen Spiegel vor. Die Gewalt und die Bereitschaft zur Gewalt, der Fremdenhaß, die Feigheit, die Ohnmacht und die Kulturlosigkeit, das Mitläufertum und der Herdentrieb, die die Mitte der Gesellschaft bilden. Das Böse und das Banale liegen so eng beieinander. Rostock ist heute. Die Renaissance der Fremdenfeindlichkeit durch Pegida und Hooligans und Salafisten und andere Idioten ist widerwärtig und gegenwärtig. Kein Wunder, daß die Besucher das zu Beginn der Vorstellung freundlich unterbreitete Angebot zur Diskussion nach dem Film nicht in Anspruch nahmen, sondern es vorzogen, das Film-Eck hurtig zu verlassen. Schade. Schade auch, daß mal wieder ein wirklich spannender Kirchenkinoabend an den politisch Verantwortlichen der Stadt, an den Parteien vorbeiging, an Schulen, Lehrern , an allen, denen das Selfie im Film-Eck hätte nutzen können.

Kirchenkino

Kirchenkino, das klingt ein wenig nach Bekehrung und Belehrung, nach Freudlosigkeit, nach illustrierter Bibel. Kirchenkino scheint eher mit Anstrengung und Mühe und Schwere zu tun zu haben als mit Neugier und Lust und Filmleidenschaft. Ein bißchen Gestriges schwingt in dieser Wortkombination mit, etwas Verstaubtes, Überlebtes. Gottlob aber haben wir sowas in der kleinen Stadt, ein Kirchenkino. Ursprünglich, vor zehn, elf Jahren, in der Tat als pädagogisches Projekt für Jugendliche entstanden, ist das Wermelskirchener Kirchenkino schon längst mehr. Ein Treffpunkt für Erwachsene mit Interessen. Ein Fixpunkt für Menschen mit politischem oder sozialem Gewissen. Für solche, denen nicht gleichgültig ist, was um sie herum geschieht. Und dazu muß man kein guter Christ sein. Bekanntlich. Kirchenkino ist zudem eine Chance, die längst verloren geglaubte gemeinschaftliche Rezeption von Medienangeboten wiederzubeleben, jedenfalls in Grenzen, auch eine Gelegenheit, sich mit anderen auszutauschen über das Gesehene. Mitunter ist sogar ein Gespräch möglich mit den Machern und Urhebern der Filme in der Reihe Kirchenkino im Wermelskirchener Film-Eck. Alles  spricht für das Kirchenkino. Und gestern Abend war mal wieder ein solcher Abend. “Auf der Suche nach dem letzten Juden in meiner Familie. Vom Umgang mit Familiengeheimnissen.” Der Titel dieses Films von Peter Haas und Silvia Holzinger und der Anlaß des Holocaust-Gedenktages am siebenundzwanzigsten Januar versprachen schwere Kost, sozusagen die ganze Last der Geschichte in sechsundsechzig Minuten. Aber: Sehen durften die zahlreichen Zuschauer zwar einen ernsten Film, in dem sich eine große Sippe auf die Suche nach dem Jüdischen in der Familie macht, das mit der Ermordung des Großvaters Eduard Haas im Konzentrationslager Buchenwald verloren gegangen zu sein scheint. Aber auch einen Film, der ganz im Heute angesiedelt ist, der generell die Frage nach der Familie stellt, den Wurzeln, die der einzelne hat, dem Zusammenhalt, auch den Beschädigungen durch Verwandtschaft, dem “Monströsen” in der Familie, wie es Filmautor Peter Haas formuliert. Ein bewegender Film, anregend, nachdenklich, aber auch witzig und unaffektiert, ein persönliches Dokument, das den Zuschauer auf die Reise in die eigene Familiengeschichte bringt. Kirchenkino in Wermelskirchen. Am sechsundzwanzigsten Februar geht es weiter. Mit einer Liebesgeschichte um acht Uhr abends. Einem Drama. Mit großen Gefühlen in einer Zeit und an einem Ort der Gefühllosigkeit. My Beautiful Country. Die berührende Liebe zwischen einem albanischen Kämpfer und einer serbischen Witwe im Kosovokrieg. Wermelskirchen und das Kosovo. Nach der schmählichen Ausweisung von Shiret, Jeton und Mehmet Duda gibt es eine feste Verbindung vom Bergischen ins Kosovo. Laßt uns das Kirchenkino nutzen. Und genießen.

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