Schlagwort: Gerhard Papke

Sozialliberale Tradition

Je näher der Landtagswahltermin in Nordrhein-Westfalen rückt, desto mehr scheint FDP-Spitzenmann Christian Lindner die noch vor kurzem noch in Stahl gegossenen Positionen eines Gerhard Papke aufzuweichen und zu räumen. “In NRW gibt es eine sozialliberale Tradition.” Damit räumt der jüngste Mann der FDP den betonköpfigen Hardliner der FDP elegant beiseite. Die Sorge um die Parlamentssessel macht halt vieles möglich. Man muß nur über die intellektuelle Gelenkigkeit und Flexibilität eines Christian Lindner verfügen. Das Ergebnis hätte die FDP aber bereits vor vielen Monaten erreichen können. Der seinerzeitige Vorsitzende der FDP im Land, Andreas Pinkwart, wollte diese Konstellation, die Ampel, scheiterte aber am Fraktionsvorsitzenden Papke auf der ganzen Linie. Daß die Führung der FDP jeden Schwenk, jede neue Richtung von Christian Lindner klaglos mitvollzieht, kann man verstehen. Es geht ja um einiges. Ums Auskommen, um Macht. Und wenn überhaupt, kann die nur vom Hoffnungsträger Lindner noch garantiert werden.

Liberale Träume

Da hat das Landesverfassungsgericht der rot-grünen Landesregierung in einer Eilentscheidung aufgegeben, die Bücher über den Haushalt 2010 noch nicht zu schließen, solange keine endgültige Entscheidung des Gerichtshofes ergangen ist. Vordergründig ein Erfolg für die schwarz-gelbe Opposition in Düsseldorf. Zwar haben ihre Abgeordneten die Entscheidung des Parlaments für den Nachtragshaushalt durch nicht vollständiges Erscheinen erst möglich gemacht, doch nun bewerten sie die Entscheidung aus Münster als ihren Erfolg. Eigentlich, so schreibt die Süddeutsche Zeitung heute, “eigentlich müssten CDU und FDP jubeln, angesichts dieses Erfolgs. Eine richtige Opposition müsste sich hinstellen und selbstbewusst die Neuwahl fordern. Aber: CDU und FDP trauen sich nicht, sie haben ein Urteil erstritten, ohne darüber nachzudenken, was sie damit anstellen können. Angesichts schlechter und katastrophaler Umfragewerte haben sie so große Angst vor dem Urteil der Bürger, dass sie Neuwahlen fast um jeden Preis verhindern wollen. Das hätten sie sich vorher überlegen sollen. Das Publikum sieht einen zitternden Prozessgewinner, der nun Angst hat vor der eigenen Courage”. Gerhard Papke, eherner Fraktionschef der Liberalen im Düsseldorfer Landtag und noch im Sommer betonköpfiger Verhinderer einer Ampelkoalition im Land, gegen seinen Vorsitzenden Pinkwart zudem, dieser stählerne Vorkämpfer der Liberalen gegen Rot-Grün, hat die Umfrageergebnisse der letzten Monate wohl doch gelesen und windet und eiert und baggert sich nun nach und nach ran an die Fleischtöpfe der Macht, an die Seite der rot-grünen Koalitionäre. Klar doch, der Mann kann zumindest die drei von der vierzehn unterscheiden und weiß also, daß vor Neuwahlen sich vor allem die ehemals liberale Partei fürchten muß, gegebenenfalls noch die Linken. Also: Papke will die Vorlage aus Münster nicht für den entscheidenden Oppositionsvorstoß nutzen, für Neuwahlen. Wir lernen: Ein Schädel aus Beton ist kein Bollwerk gegen miese Umfragewerte. Steter Tropfen höhlt auch Beton. Der Steinerne, der Eiserne, der Stählerne kapituliert vor der Macht der Zahlen. Auch das ist Politik. Jedenfalls im Land. Hier, in unserer Stadt, sehen die lokalen FDP-Größen das anders. Hier will man untergehen. Der Ortsvorsitzende der FDP, Dr. Werner Güntermann, war laut Bergischer Morgenpost absolut verärgert: “Wir lassen wirklich kein Fettnäpfchen aus.” Er gehe, so heißt es weiter, äußerst kritisch mit den Landespolitikern um und werde “der Landespartei einen geharnischten Brief schreiben”. Denn schließlich müsse man vor Ort den Bürgern Rede und Antwort stehen. Güntermann plädiert für “liberalen Ungehorsam”. Klar. Es ist ja auch schwierig, jede Bundes- oder Landes-Volte der Partei in Ortsverband nachzuvollziehen, sich gehorsam und ohne Widerworte in die Herde hinter den Führern einzureihen. Aber so brav, wie man auch in Wermelskirchen der Degeneration der FDP von einer einst liberalen Partei in eine Ein-Thema-Partei gefolgt ist, so unkritisch die unerträgliche Klientelbedienung der Bundespartei im Ortsverband bejubelt wurde, so apologetisch selbst die krawalligsten Äußerungen des großen Vorsitzenden gefeiert wurden in den Untergliederungen der Partei, so wenig Hoffnung besteht nun auf Würde des eigenen Kopfes, auf produktiven Trotz, auf Mut zur eigenen Meinung, kurzum: auf liberalen Ungehorsam. Nein, nein, die Gleichschaltung der FDP hat schon funktioniert. Heute ist sie vielleicht einer maoistischen Sekte aus den siebziger Jahren ähnlicher als der FDP aus der gleichen Zeit. Der Spuk des liberalen Ungehorsams wird spätestens mit den ersten Landtagswahlergebnissen in diesem Jahr verfliegen, wenn man erfahren muß, daß der Partei der Wind des Wählervotums ins Gesicht weht. Dann wird man auch im Ortsverband Wermelskirchen froh sein, wenn das blau-gelbe Fähnchen in Düsseldorf neben den roten und grünen Flaggen gehißt werden darf. Alles, auch rot-grüne Koalitionsnachbarschaft, ist besser, als per Urnengang aus dem Parlament vertrieben zu werden. Herr Manderla, Herr Dr. Güntermann, wie ist es gut, daß es die harte Realität gibt. Ohne sie verlören Träume jegliche Faszination. Auch liberale Träume. Der Volksmund hat es so formuliert: Wer nicht kommt zur rechten Zeit, der muss nehmen, was übrig bleibt ! Und Theodor Storm so:  “Vom Unglück zieh erst ab die Schuld; was übrig ist, trag’ in Geduld.”

Regierung sucht Mehrheit

Wir haben wieder eine Regierung im Land. Eine Minderheitsregierung. Stimmt. Eine Stimme fehlt zur Mehrheit. Zur parlamentarischen Mehrheit. Und also wird die Regierung bei jedem ihrer Vorhaben eine Mehrheit suchen müssen. Es gibt kein Durchregieren. Duchregieren, dieses merkwürdige Wort bezeichnet eigentlich das Gegenteil von Regieren. Regieren bedeutet ja soviel wie lenken, leiten, führen. Regieren ist so gesehen ein rationaler Vorgang. Ein argumentatives Vorgehen. Auch eine Überzeugungsmethode. Duchregieren ist das Gegenteil, da wird nicht gelenkt, geleitet, da wird irrational durchgesetzt, durchgepeitscht. Entscheidend ist lediglich die Macht der Mehrheit, nicht die Rationalität der Sachprobleme. Also: Kein Durchregieren in NRW. Das muß man nicht bedauern. Eine Regierung, die überzeugen muß, im Parlament und in der Bevölkerung, kann ein Segen sein. Aber, so die Kritiker: Eine Minderheitsregierung ist nicht stabil. Und Stabilität ist in Zeiten der Krise das wichtigste. Die Mehrheit im Bundestag ist stabil, stabil schwarz-gelb. Die Bundesregierung hat eine stabile Mehrheit. Und doch ist das Regieren nun alles andere als überzeugend. Die Regierung ist trotz der stabilen Mehrheitsverhältnisse im Parlament derart instabil, ungelenk, ungeführt, ungeleitet, überzeugungsschwach, handlungsunfähig, daß vielen Menschen angst und bange wird. Eine stabile Mehrheit garantiert mithin nicht die große Kunst des Regierens, des Lenkens, Leitens, Führens und Überzeugens. Stabile parlamentarische Mehrheiten garantieren hierzulande also nichts. Heribert Prantl hat in der Süddeutschen geschrieben, eine Minderheitsregierung sei auch nicht “demokratisch minderwertig”. Sie müsse “notfalls auf Händen gehen können, wenn sie auf diese Weise um Zustimmung der Opposition werben kann”. Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen ist legitim, ist Ausdruck des Wahlergebnisses und Folge der Verweigerung der Oppositionsparteien. Und auch der Versuch des FDP-Fraktionsvorsitzenden Papke, die neue Regierung mit einer Wiederauflage der “Rote-Socken”-Kampagne zu desavoieren, wird fehlgehen. “Die Regierung Kraft ist vom ersten Tag an von marxistischen Verfassungsgegnern abhängig.” Nein, Nein, die Linke hat Hannelore Kraft nicht zur Ministerpräsidentin gewählt. Frau Kraft ist ins Amt gekommen, weil unsere Landesverfassung eine Minderheitsregierung möglich macht. Man muß die linken Abgeordneten nicht mögen. Aber der Wähler hat sie im Parlament sehen wollen. Das muß auch ein Herr Papke zur Kenntnis nehmen. Ansonsten wird er vom gleichen Wähler abgestraft werden. Wenn die FDP nicht will, daß die Linke Einfluß aufs Regierungshandeln bekommt, dann muß sie –  und ihr Herr Papke auch – runter vom hohen Roß der Fundamentalopposition. Im übrigen ist es schon schaurig, daß die FDP, die ach so bürgerliche, nach der Wahl von Hannelore Kraft zur Ministerpräsidentin nicht einmal die Kraft aufbrachte, der Gewählten bürgerlich-angemessen mit dem üblichen Blumenstrauß zu gratulieren. Auch Symbole machen Politik. Und wer sich normalen Anstandsregeln entzieht, darf später nicht maulen, wenn er nur wenig Gehör findet. Das muß die FDP regeln, die Partei, die Mitglieder, daß sie irgendwann wieder als bürgerliche Partei gelten kann, als eigenständige liberale Kraft, nicht nur als Appendix der CDU.

Taumel-FDP

Nein. Ja. Womöglich. Doch nicht. Vielleicht. Keinesfalls. Doch, doch. Niemals. Eventuell. Gerne. Lieber nicht. Jein. Nein. Auf keinen Fall. Vielleicht doch. Mal sehen. Das sind – und in dieser Reihenfolge – die Antworten der nordrhein-westfälischen FDP auf das Angebot von SPD und Grünen zu Sondierungsgesprächen für eine Koalitionsbildung im Land. Am Abend will der FDP-Landesvorstand diskutieren, ob nicht doch noch ein Signal  an SPD und Grüne zu Sondierungsgesprächen ausgesandt werden soll. Gegen den Widerstand der Betonköpfe in der Fraktion um Gerhard Papke. Die FDP taumelt. Und vielleicht zerlegt sie sich gar vollends.