Schlagwort: Fußballweltmeisterschaft

Waldmeister

Weltmeister. Fühlt man gar nicht so im Alltag. Beschwert nicht und erleichtert nichts. Aber wie bin ich es geworden, am Sonntag Abend? Ich habe gebrüllt und geschrieen. Vor Angst und Sorge und Enttäuschung und Hoffnung. Den Schiedsrichter habe ich beschimpft, wahlweise als parteiischen Lakaien der FIFA oder als italienischen Büttel der Argentinier. Weil er selbst die übelsten Fouls der südamerikanischen Tretertruppe übersehen hat. Tretertruppe. Das habe ich meiner Gattin am Sonntag wohl mehrmals erklärt, ob sie es nun hören wollte oder nicht, daß nämlich die Argentinier sich seit jeher als gemeine Tretertruppe erwiesen haben, die auf alles treten, was sich in einem weißen Trikot bewegt, nur weil wir ihnen den Ball nicht abgeben. Hat irgendjemand schon einmal ein faires und sauberes Spiel der Gauchos gesehen gegen eine überlegene Mannschaft aus Schland? Gauchos. Sie merken, warum ich das hier schreibe? Waren es nicht die Gauchos, die argentinischen, die Zweitausendundsechs nach dem verlorenen Spiel gegen die Deutschen eine miese Schlägerei angefangen haben? Haben sie nicht am Sonntag einen unserer Helden mittels eines üblen Schulterchecks gegen dessen Kopf aus dem Spiel genommen? Haben sie nicht ebenfalls am Sonntag einem anderen unserer Helden eine heftig blutende Gesichtsverletzung beigebracht? Haben wir das nicht alles befürchtet, daß sich die Tretertruppe der Gauchos als unfaire Verlierer erweist? Aber ja. Wir Kenner, die wir alt genug sind und erfahren im Umgang mit diesen Kickern aus der Pampa, wir ahnten es,  wir wußten es. Das war schon Neunzehnhundertneunzig so. Und später erst recht. Dreckige Spiele, allesamt, die gegen Argentinien. Tja. Soweit ein sonntagabendlicher Einblick in eine kleine und armselige Fußballerseele. Und dann die Heimkehr der Helden. Müde, kaputt, vermutlich noch ziemlich trunken, jedenfalls besoffen von Gefühlen. Ein kleines Tänzchen. So gehen die Gauchos, nämlich gebückt und krumm nach der Niederlage, und so gehen die Deutschen, aufrecht und siegestrunken. Gemessen an dem, was ich am Sonntagabend so alles von mir gegeben habe, eine ziemliche Harmlosigkeit. Zudem seit Jahren Teil der Fußballkultur, wenn es so etwas geben sollte. Jedenfalls nichts Neues, nur weil es jetzt von Weltmeistern aufgeführt wurde, das Tänzchen. Und die Kritiker? Waldmeister. Langweilige Waldmeister. Ahnungslos. Überkorrekt. Weit weg von der Fußballersubkultur. Waldmeister.

Blech mit Pathos

Tom Bartels. Wenn in den Freudentaumel über den Sieg der deutschen Nationalmannschaft  doch mitunter die Stimme von Tom Bartels ans Ohr gedrungen sein sollte, konnte es einen nur schütteln. Wie kann ein einzelner Mann so viel Blech mit solch hohlem Pathos von sich geben? Beim Europameisterschaftsspiel Spanien gegen Irland vor zwei Jahren lagen die tapferen Iren Nullzuvier zurück, als zwanzigtausend irische Fans das Lied “Fields of Athenry” anstimmten. Tom Bartels schwieg. Viele Minuten lang. Und die Zuschauer konnten sich der Emotion hingeben. Zurückhaltung gilt als vornehm in der deutschen Sprache. “Alle, die sich zurücknehmen können und nicht selber inszenieren, sind für mich Vorbilder”, sagte Bartels seinerzeit. Nichts ist davon geblieben, gar nichts. Bartels redet und redet und redet und redet und redet. Schade.

 

Was, wenn ich am Sonntag Weltmeister werde?

Was, wenn ich am Sonntag Weltmeister werde? Ich, der ich nicht einmal ein schwarzrotgoldenes Fähnchen habe, keinen deutschlandfarbenen Pariser für die Autospiegel, nicht einmal ein Trikot der deutschen Fußballnationalmannschaft im Schrank? Den vierten Stern kann ich mir dann auf die Hemden sticken lassen. Gut. Ich war schon Papst. Das ist noch nicht einmal so lange her. Also wird mir der Weltmeistertitel der Kicker vermutlich auch keine Mühe machen. Ich werd’s mit Fassung tragen. Wie so viele andere auch. Tragen müssen. Bis der Taumel nachlässt. Und der Verstand zurückkommt. Bei vielen jedenfalls. Einige werden das bisschen Verstand eintauschen, für immer, gegen Schwarzrotgold und Ruhm und irgendwas. Ein bisschen Schwund ist immer, selbst beim größten Sieg. Und wenn Argentinien den Pokal holt? Messi und die Maria? Uns bleibt das Siebeneins. Für immer. Das beste Spiel des Turniers. Vielleicht das beste Spiel aller Turniere. Weltmeister der Herzen. Das ist was. In Schwarzrotgold. Wir Teutonen sind dann eben kein Weltmeister, nur Vize. Der beste Zweite aller Zeiten.

FIFA-Fußball

Italien gegen Uruguay, das ist richtiger FIFA-Fußball, schmutzig und schmierenkomödiantisch. Zweiundzwanzig, jetzt nur noch einundzwanzig Kicker treten nach allem und dem Ball, alle stürzen theatralisch und lamentieren, mehr als zwanzig Kicker leiden, viele von ihnen scheinen noch auf dem Platz sterben zu müssen, keiner dieser Treter hat jemals in seinem Leben auch nur ein einziges Foul begangen, italienische gegen uruguayische Chorknaben.

Blind

Da tritt der italienische Kicker Balotelli seinem Gegner aus Uruguay fast den Kopf ab und der Schiedsrichter zeigt dem Mittelstürmer nach einer Sekunde Bedenkzeit die Gelbe Karte. Und Béla Réthy, der Fernsehexperte,  behauptet noch während der Zeitlupe, nicht dieses Foulspiel, sondern eher die Summe der Nickligkeiten des Herrn Balotelli habe zu Gelb geführt. Schickt den Mann nach Hause. Der ist blind und schmerzfrei.

Dauertöner

Was kann man nur machen gegen die eifernden, ständig auf Hochtouren schwadronierenden Fernsehbegleiter der Fußballweltmeisterschaftsspiele? Gegen diese Dauertöner. Diese Allesbesprecher. Die dennoch nichts sehen und wenig verstehen. Die auch die dritte Zeitlupe noch falsch interpretieren. In beiden Systemen. Die Fans sind statt Experten. Jubeln statt erklären. Bangen statt analysieren. Keine Ruhe geben. Krawall schon für eine Botschaft halten. Was kann man nur machen?

Fußballweltmeisterschaft

Fußballweltmeisterschaft, pah. Die Schiedsrichter üben Betrug am Fair Play und zugunsten der Gastgeber und Favoriten. Immer noch. Die Moderatoren der beiden deutschen Sender schwadronieren gegen das selbständige Sehen, Denken und Werten der Zuschauer. Die Frisuren so mancher Kicker sind eine Attacke auf den guten Geschmack der Fans. Viele Tattoos auch. Die Blatters und Co. scheffeln Millionen und Millionen Brasilianer darben. Fußballweltmeisterschaften eben. “Ein jegliches hat eine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde.” (Prediger, Kapitel drei, Vers eins)