Schlagwort: Europameisterschaft 2012

Lächerlich

“Vor 43 Jahren hat der Mensch den Mond erobert, auch sonst tat sich seither technologisch einiges: Von der Drohne über die pränatale Operation im Mutterleib bis zur Mikro- kamera, die in Hemdknöpfe passt. Aber halt. Ein kleines, milliardenschweres Schattenreich hat sich den Segnungen der Technik bisher strikt verweigert – der Fußball. Weltverbands-Boss Sepp Blatter und Europa-Chef Michel Platini sahen stets unüberwindbare technische Probleme darin, einen melonengroßen Gegenstand beim Überschreiten einer dicken Kreidelinie zu erfassen. Stattdessen wurde alberner Aktionismus betrieben mit Chips in Bällen und schließlich der Torlinienrichter eingeführt, als menschliche Problem- lösung, die der Sportfunktionär ja so schätzt. “Der muss nur schauen”, dozierte Uefa-Chef Platini, “ob der Ball über die Linie ist.” Das hat der Torrichter im Spiel England -Ukraine getan, mit monatelanger Übung, und sah doch nicht, was Millionen TV-Zuschauer in aller Welt aus jeder Warte sahen: Tor für die Ukraine. Auch tags zuvor im Spiel Spanien – Kroatien guckte der Hilfssheriff auf der Linie ganz genau hin – und verpasste als einziger Augenzeuge ein Foulspiel, das direkt vor ihm stattfand. Das ist die Bankrotterklärung. Das Torrichter-System ist absurd: Statt drei sind nun fünf Referees zugange, Tendenz steigend, die Macht des Funktionärs steigt mit jedem Pöstchen, das er zu vergeben hat – und was machen diese Referees? Sich lächerlich. Bestenfalls.” (Thomas Kistner in einem Kommentar der Süddeutschen Zeitung Online am 20. Juni 2012)