Schlagwort: Bergischer Geschichtsverein

Acht Fragen

Einen Brief zu schreiben, heutzutage, so sagt man, sei bereits eine Kunst. Das Schriftliche werde kaum mehr geübt. Die digitale Kurznachricht, SMS und WhatsApp, und das Telefon dominierten die private Kommunikation. Womöglich ein Urteil, das kurz greift, zu kurz, ein Vorurteil also eher. Einen offenen Brief zu schreiben, ist dagegen ganz gewiß eine Kunst. Ein Kunst, der sich vor allem Politiker verschreiben. Ein offener Brief, früher Sendschreiben geheißen, ist ein Brief, der sich weniger an den im Schriftstück (welch schönes Wort) genannten Empfänger wendet, sondern eher an die Öffentlichkeit oder eine bestimmte Teilöffentlichkeit, wird der offene Brief doch als Flugschrift (wiederum ein schön altertümelndes Wort), als Flugblatt verbreitet oder in der Presse oder anderen Medien publiziert, heutzutage meist in den sogenannten sozialen Medien im Internet. Ein offener Brief ist also mehr der Form nach ein Brief, der Absicht nach handelt es sich um einen öffentlichen Text, ein Schreiben, das an viele, an alle gerichtet ist. Einer der berühmtesten offenen Briefe stammt laut Wikipedia von Émile Zola und thematisierte Achtzehnhundertachtundneunzig unter dem wuchtigen Titel J’accuse, (Ich klage an) die Dreyfus-Affäre. Der erste Teil der eben erwähnten politischen Kunst besteht also darin, in der Form des Briefes an einen einzelnen Empfänger viele andere Menschen nicht nur ebenfalls, sondern hauptsächlich zu informieren, anzusprechen, zu befragen, zu befassen. Der nächste Teil der politischen Kunst besteht darin, Auffassungen, Positionen, Standpunkte, Gewißheiten in die Frageform zu kleiden. Wer Fragen stellt, verkündet keine Wahrheiten und urteilt nicht. Vermeintlich. Hier bei uns in Wermelskirchen gibt es nur selten solche offenen Briefe zu lesen. Und wenn, dann heißt der Verfasser meist Henning Rehse. Und er hat es schon wieder getan. Heute. Henning Rehse hat einen Brief an den Bürgermeister geschrieben. Und diesen Brief flugs in Facebook der ganzen Stadt zu lesen aufgegeben. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Sagt der nie zu unterschätzende Volksmund. Acht Fragen sind es, die Rehse vom Bürgermeister beantwortet haben möchte. Da diese acht Fragen aber öffentlich gestellt werden, geht es Rehse kaum um eine profunde Antwort des Verwaltungschefs. Rehse möchte, wie zumeist, Stimmung machen, Qualm erzeugen, Aufmerksamkeit erheischen. Der Fraktionsvorsitzende der WNK braucht die Antworten nicht. Nicht wirklich. Worum geht es? Die Grünen haben vor geraumer Zeit den Antrag gestellt zu untersuchen, ob ein altes Haus, ein für Wermelskirchen typisches Handwerkerhaus aus dem neunzehnten Jahrhundert, als denkmalwürdig eingestuft werden könne, da es Zeugnis gebe von der Stadtgeschichte und der gute allgemeine Zustand keineswegs einen Abbruch rechtfertige, sondern eher eine fachgerechte Sanierung. Unterstützt wurde das Vorhaben vom Bergischen Geschichtsverein, der seinerzeit maßgeblich am Erhalt der Bürgerhäuser in Wermelskirchen beteiligt war. Henning Rehse aber, mit seiner WNK unablässig auf der Suche nach Flächen, auf denen noch ein weiterer Parkplatz errichtet werden kann, Henning Rehse also ist so sehr in Beton und Asphalt verliebt, daß, nachdem er die Akten im Rathaus angesehen und dabei festgestellt hatte, daß die Verwaltung getan hat, was eine Verwaltung tun muß, und er gegebenenfalls seinen Plan nicht mehr verwirklichen kann, auf der in Rede stehenden Liegenschaft Parkplätze zu schaffen, Wut und Zorn in ihm hochkamen und er mal wieder zu Feder griff. Das Ende vom Lied kann man in Facebook lesen. Acht Fragen an den Bürgermeister, geboren in Wut. Acht Fragen zum Thema, warum die Verwaltung nach dem Antrag der Fraktion Die Grünen beim für Denkmalschutz zuständigen Landschaftsverband Rheinland einen Ortstermin auszumachen versuchte. In den acht Fragen wird die Mitarbeiterin der Verwaltung nicht beim Namen genannt. Nein. Rehse nennt nur die Initialen. Da kennt er nichts. Datenschutz muß schon sein. Und Rehse behauptet auch nicht, daß durch die Voranfrage beim Landschaftsverband der Stadt ein finanzieller Schaden entstanden sei, da es ja bereits einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zum Verkauf der betreffenden Liegenschaft gegeben habe. Nein. Henning Rehse fragt nur. Er fragt den Bürgermeister, ob der Mitarbeiterin bekannt sei, daß ein Schaden eingetreten und der Verkauf jetzt nicht mehr möglich sei. Nein, kein Urteil über die ja nur mit Initialen genannten Mitarbeiterin. Nur eine klitzekleine Frage. Nein. Acht klitzekleine Fragen. Mit denen Henning Rehse in den windstillen Zeiten kurz vor dem Fest der Liebe Stunk machen möchte. “Intensive Kontakte zwischen den Grünen und der städtischen Mitarbeiterin” will Henning Rehse nach seinem detektivischen Aktenstudium im Rathaus festgestellt haben. Das geht ja gar nicht. Daß eine Verwaltungsmitarbeiterin intensiv mit der Fraktion der Grünen kommuniziert. Wenn jemand mit der Verwaltung kommuniziert, dann kann das nur Henning Rehse sein. Wahlweise vielleicht noch ein unbedeutender Adlatus aus den Reihen der WNK. Aber doch nicht die Grünen, die doch unablässig am Untergang des Abendlandes werkeln. Wer in einem offenen Brief dem Bürgermeister mitteilt, daß eine Verwaltungsmitarbeiterin Kontakte zu einer Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung unterhält, der hat die Grenze zur Denunziation bereits überschritten. Nein, mit Henning Rehse wird das nichts mehr. Wie hier schon häufiger geschrieben: Henning Rehse hat seinen Kompass verloren. Mit Schaum vorm Mund schreibt man besser keine Briefe. Und wer einen Sachverhalt aufklären will, schreibt schon mal gar nicht an alle, sondern nur an den Chef der Verwaltung. Stilfragen sind nicht Rehses Problem.