Schlagwort: Andreas Pinkwart

Sozialliberale Tradition

Je näher der Landtagswahltermin in Nordrhein-Westfalen rückt, desto mehr scheint FDP-Spitzenmann Christian Lindner die noch vor kurzem noch in Stahl gegossenen Positionen eines Gerhard Papke aufzuweichen und zu räumen. “In NRW gibt es eine sozialliberale Tradition.” Damit räumt der jüngste Mann der FDP den betonköpfigen Hardliner der FDP elegant beiseite. Die Sorge um die Parlamentssessel macht halt vieles möglich. Man muß nur über die intellektuelle Gelenkigkeit und Flexibilität eines Christian Lindner verfügen. Das Ergebnis hätte die FDP aber bereits vor vielen Monaten erreichen können. Der seinerzeitige Vorsitzende der FDP im Land, Andreas Pinkwart, wollte diese Konstellation, die Ampel, scheiterte aber am Fraktionsvorsitzenden Papke auf der ganzen Linie. Daß die Führung der FDP jeden Schwenk, jede neue Richtung von Christian Lindner klaglos mitvollzieht, kann man verstehen. Es geht ja um einiges. Ums Auskommen, um Macht. Und wenn überhaupt, kann die nur vom Hoffnungsträger Lindner noch garantiert werden.

Kälte. Mieser Fußball. Pinkwart.

Ein Blick aus dem Fenster. Lausiges Wetter. Ein Blick ins Fernsehen. Lausiger Fußball. Ein Blick in die Politikseiten der Zeitungen. Lausige Politik. Kälte. Mieser Fußball. Pinkwart. Womit haben wir das vedient? Vor einem Jahr war’s lecker warm, gab’s keine WM-Vorbereitung, keine pinkwartische Ausschließeritis. Tja, das Wetter, die Nationalmannschaft und die FDP werden besser werden müssen.

Eingemauert und angekettet

Sie hat sich eingemauert, die ehemals liberale Partei in Deutschland. Auf ihrem Wahlparteitag in Köln hat sich die FDP fest gebunden, an die CDU. Nein, gekettet. Sie will nur mit der CDU koalieren. Jede andere Option soll ausgeschlossen bleiben. Liberal kann das nicht sein, sich lediglichg als rechter Wurmfortsatz der CDU zu begreifen. Die Ex-Liberalen sind zu Betonköpfen verkommen. Schade drum. 1966 haben Willi Weyer und Heinz Kühn in Nordrhein-Westfalen die erste sozialliberale Koalition in der  Bundesrepublik vereinbart. 1969 waren es Walter Scheel und Karl-Hermann Flach, die die Koalition im Bund mit der Partei Willy Brandts schmiedeten. Später haben die Liberalen die sozialliberale Koalition unter Genscher verlassen und sind ein Bündnis mit der CDU Helmut Kohls eingegangen. Die FDP hatte jedesmal die Kraft, einen derartigen Richtungswechsel durchzusetzen und auch zu überleben. Diese Kraft hat sie unter Westerwelle und Pinkwart nicht mehr. Dieser Kurs der FDP wird die Partei schwächen. Nun gut, das müssen die FDP-Mitglieder unter sich ausmachen. Aber: Diese törichte und ohnmächtige Bindung an die Konservativen, dieser Verlust der Liberalität schwächt auch das politische System unseres Landes. In einem fünf-Parteien-System sind Liebesheiraten die am wenigsten wahrscheinlichen Wahlergebnisse. Alle Parteien sind gefordert. Demokratische Parteien sollten miteinander koalitionsfähig sein.  Was spräche eigentlich in Nordrhein-Westfalen gegen ein Mitte-Links-Bündnis? Wäre eine solche Zusammenarbeit der Parteien nicht auch eine gute Möglichkeit, dem Land aus der schweren Krise zu helfen? Jetzt steht der ex-liberale Parteiegoismus gegen eine solche politische Variante. Ich kann nur hoffen, daß die Wähler der FDP am kommenden Sonntag die gelbe Karte zeigen werden. Für Klientelpolitik, für wohlfeilen Populismus ihres Vorsitzenden, für uneinsichtiges Beharren auf Steuersenkungen in den Zeiten einer schweren Finanzkrise, für die Entsolidarisierung der Gesellschaft, für den Versuch, Wähler mit rechten Parolen, mit Burkaverbot und sonstigem Unsinn zu ködern. Für all das sollten die Wähler die FDP abstrafen. Und ein Signal setzen. Für eine Erneuerung der FDP, für die Rückgewinnung von Liberalität.

FDP: Salto rückwärts

“Die dreifache Rolle rückwärts der FDP”, so überschreibt tagesschau.de einen Kommentar von Peter Mücke, NDR, aus dem ARD-Hauptstadtstudio Berlin. FDP-Chef Guido Westerwelle, so beginnt der Text, sei lieber auf Tauchstation gegangen.

“Bis zuletzt hatte er trotzig an seinem Wahlkampfschlager festgehalten: Steuersenkungen, Steuersenkungen, Steuersenkungen. Gleich nach der Bundestagswahl werde die FDP daran gehen, die kalte Progression zu beseitigen. Eine elementare Steuerreform werde es geben. Mit Milliardenentlastungen vor allem für den Mittelschicht. Wie eine Monstranz trug Westerwelle diese Versprechungen vor sich her. Die heutige dreifache Rolle rückwärts überließ er dann lieber anderen. FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms und der nordrhein-westfälische Spitzenkandidat Andreas Pinkwart mussten die für ihre Partei bittere Wahrheit verkünden. Das, was die FDP versprochen hat, wird nicht kommen. Damit gerechnet hat ohnehin keiner. Jetzt gesteht es auch die FDP ein. Eine Partei distanziert sich von sich selbst. 35 Milliarden Euro Steuerentlastungen hatte die FDP im Wahlkampf versprochen. Im Koalitionsvertrag blieben davon noch 24 Milliarden übrig. Seit heute ist kleinlaut nur noch von 16 Milliarden die Rede. (…) Die soll frühestens 2012 dran sein, so sieht es das FDP-Konzept vor. Im Koalitionsvertrag ist noch vom 1. Januar 2011 die Rede. Auch nichts mehr wissen wollen die Liberalen vom  angeblich heilbringenden Dreistufentarif: 10, 25 und 35 Prozent. Von fünf Stufen ist jetzt die Rede. Und der Spitzensteuersatz soll auch nicht mehr gesenkt werden. Vieles spricht dafür, dass nicht mal dieses abgespeckte FDP-Steuerkonzept finanzierbar ist. (…) Das ist kein geordneter Rückzug, das ist eine Kapitulation, die vielleicht noch nicht einmal weit genug geht. Anfang Mai kommen die Zahlen der Steuerschätzung – und dann könnte es gut sein, dass die FDP noch weiter zurückrudern muss. Das heutige Vorpreschen ist der verzweifelte Versuch, die Macht in Nordrhein-Westfalen doch noch zu retten, wo am 9. Mai gewählt wird. Auch deshalb musste heute Landeschef Pinkwart auf die Bühne.”

Klimawandel: Neue Eiszeit

“Er sollte besser mal zwei Wochen Urlaub machen.” Er ist Guido Westerwelle. Der Ratgeber ist nicht etwa Frank-Walter Steinmeier. Nein, es ist der hessische FDP-Landesvorsitzende Jörg-Uwe Hahn. Westerwelle sei, so zitiert Spiegel Online den Hessen, in den vergangenen Wochen zu stark eingespannt gewesen. “Er hatte viel um die Ohren, und es ist nicht alles glücklich gelaufen.” Hahn rät eine Verschnaufpause an: “Handy aus und weg.” Ich wäre sogar für eine Kur. Im dekadentesten aller Kurhäuser. Aber nicht nur für den überforderten Vorsitzenden der Liberalen. Ein Kurkandidat wäre auch Wolfgang Kubicki, FDP-Chef in Schleswig-Holstein. Den zitiert Spiegel Online mit einem Rundumschlag gegen die eigene Partei und den Koalitionspartner: “Wir haben Protagonisten in der Partei, die – weil sie keinen Arsch in der Hose haben – immer behaupten, die anderen seien schuld. Ich sehe es ja im Bundesvorstand. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Andreas Pinkwart fordert eine breitere Aufstellung, aber niemand hindert ihn doch, sich öffentlich zu äußern – wenn auch nicht immer glücklich.” Über die Stellvertreterin Westerwelles, Cornelia Pieper, – “Meine besondere Freundin im Bundesvorstand” – befindet er: “Also, ich finde, wir sollten jeden Tag beten, dass Guido Westerwelle nichts passiert.” Das nennt man Parteiklima. “Wir werden die Union nicht schonen, das ist jetzt klar. Wir halten uns an keine Schmusekursabsprachen, die die andere Seite schon lange nicht mehr einhält. Auf unseren Erfolg folgen weitere Schritte, definitiv. Das Verhältnis zur Union würde deutlich rauer. Das bekäme insbesondere die CSU zu spüren, bei der wir jede Hemmung fallen lassen würden. Feuer frei von jedem.” Sowas nennt man Koalitionsklima. Die Süddeutsche Zeitung kommentiert: “Hier hat der feine Jurist, der die bekannt steuer-optimierende liechtensteinische Regierung beraten hat, den Jargon der Straßenbanden in die Politik eingebracht.” Für die CSU hat Kubicki den folgenden Satz im Köcher: “Und warum nicht auch mal den CSU-Chef Horst Seehofer fragen: Hat Ihre Abneigung gegen die Kopfpauschale auch damit zu tun, dass Ihre Familienplanung etwas aus dem Ruder gelaufen ist?” Der Generalsekretär der CSU, Dobrindt, kontert eilig: “Dem Kubicki ist wohl die Schweinegrippe aufs Gehirn geschlagen. Für solche politischen Quartalsspinner wie Kubicki kann sich die FDP nur schämen.” Tja, wir haben sie gewählt. Die ganze Bande. Diese ganze Bande von Kerlen, die sich nicht einmal zu benehmen weiß. Politikunfähig, machtversessen, selbstgefällig, rauhbeinig und – schamlos. Tja, wir haben sie gewählt. Wir sollten uns schämen. Und, was die Kur angeht: Nehmt bitte noch Andreas Pinkwart mit und Christian Lindner und Ingo Wolf. Und kuriert Euch richtig aus. Wir haben keine Eile.