Monat: November 2016

Politischer Diskurs als Verfassungsschutz

Nein, für die AfD ist ein ganz anderer Verfassungsschutz zuständig. Wer die Verfassung schützen will, die Menschenrechte, die Minderheiten, der muss sich in den politischen Diskurs mit den Populisten begeben. Das ist anstrengend, weil sich die Formen der Debatte verändert haben. Die Rhetorik ist härter geworden, die Wortwahl aggressiver, der Umgang mit der Wahrheit manipulativ. Aber es hilft nichts: Der Ort, wo dieser Staat verteidigt wird, bleibt das öffentliche Forum. Der Verfassungsschutz, das sind alle um den Rechtsstaat und die liberale Demokratie besorgten Bürger.

Wolfgang Janisch, Rechtsextremismus. Die Debatte als Verfassungsschutz, in: Süddeutsche Zeitung vom vierundzwanzigsten November Zweitausenundsechzehn

 

Geh aufrecht

Geh aufrecht und Du siehst das andere in Dir …

Du mußt Dich nur mehr bewegen.

‘N weiten Weg zu geh’n, ‘n Hoffnungsschimmer seh’n, am Horizont, am Horizont…
Es tut auch manchmal weh, erst recht, wenn nichts mehr geht, wie’s vorher war, wie’s vorher war…

Lass mich bloß nicht hier steh’n, so im Regen…

Geh aufrecht und du siehst das Andere, geh aufrecht und du siehst das Andere, in dir, in dir, in dir…
Geh aufrecht und du siehst das Andere, geh aufrecht und du siehst das Andere, in dir, in dir, in dir…

Deine Zeit, sie kommt, schneller als du glaubst, wenn du erwachst, in diesem Leben…
Dabei bist du doch längst, längst auf deinem Weg, du musst dich nur erheben…

Lass mich bloß nicht hier steh’n, so im Regen…

Geh aufrecht und du siehst das Andere, geh aufrecht und du siehst das Andere, in dir, in dir, in dir…
Geh aufrecht und du siehst das Andere, geh aufrecht und du siehst das Andere, in dir, in dir, in dir…

So lang warst du fort, hat sich der Stachel gebohrt, da hinein wo dein Kopf sitzt, da hinein wo dein Licht ist…
Und du trugst schwer, jetzt gibst du ihn her, du brauchst ihn nicht mehr, du brauchst ihn nicht mehr…

Geh aufrecht und du siehst das Andere, geh aufrecht und du siehst das Andere, in dir, in dir, in dir…
Geh aufrecht und sie seh’n das Andere, geh aufrecht und sie seh’n das Andere, in dir, in dir, in dir…

Katja Werker – Geh Aufrecht

“Es läuft etwas schief bei uns …”

“Guten Morgen, auf vielen Titelseiten wird EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, der von Brüssel nach Berlin umziehen will, heute wie ein Erlöser gefeiert. Dass viele Medien diesem im Volk weithin unbekannten Mann – der die Zulassung zum Abitur nicht schaffte, wenig später zum Trinker wurde, bevor er als grantelnder Abstinenzler für 22 Jahre im Brüsseler Europaparlament verschwand – plötzlich die Befähigung zur Kanzlerschaft zutrauen, ist nur mit journalistischer Telepathie zu erklären. Einer fühlt, was der andere nicht denkt. Alle beten, was keiner glaubt. Und Schulz, derart berauscht, bereitet sich wahrscheinlich auf die Papstwahl vor. Italienisch spricht er ja schon…“

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Das war am fünfundzwanzigsten November des Jahres im Newsletter des Handelsblattes zu lesen. Verfaßt vom Gabor Steingart, Mitglied der Geschäftsführung der Verlagsgruppe HandelsblattPeter Ruhenstroth-Bauer, Rechtsanwalt und selbstständiger Kommunikationsberater, hat darauf in Carta geantwortet. Hier ein Teil seiner Replik:

Es läuft etwas schief bei uns, wenn der Herausgeber einer weithin nicht unbekannten Wirtschafts- und Finanzzeitung in sechs Sätzen einen Politiker so menschenverachtend beschreibt. Das, was da als journalistisch flotter morgendlicher Anreißer daherkommt, ist in Wahrheit eine ganz bewusste Grenzüberschreitung. Sie muss Empörung und lauten Widerspruch bei all denen hervorrufen, die sich Sorgen um die gesellschaftspolitische Entwicklung und auch die journalistische Berichterstattung in Deutschland machen. Da wird in kurzem Staccato einer niedergemacht. Ein Politiker, also einer, bei dessen Kritik man sich des Beifalls des Publikums schnell sicher sein kann. Hier aber kommt hinzu, dass in Stürmer-Manier alles in ein Konzentrat gegossen wird, dass den Menschen Schulz in sechs Sätzen erledigt. Man kann zu dem Politiker Schulz stehen wie man will. Viele Portraits über Martin Schulz berichten von seinen Schwächen; so seinem Drang, als „Rampensau“ immer nur ganz vorne stehen zu wollen. Man kennt aber auch seine Stärken, die ihm im Europaparlament auch von Parlamentariern anderer Fraktionen zugesprochen werden: einer, der dem Europaparament in schwierigen Zeiten ein Gesicht gegeben hat. Wenn wir zulassen, dass wieder so über Parlamentarier geschrieben wird, können wir uns schon bald auf die nächsten „Einordnungen“ des Herausgebers freuen. Da steht dann sicher der schwule Staatssekretär, der behinderte Minister oder der Türke im Parlament auf der Tagesordnung. Steingart weiß, was er schreibt. Vor zehn Tagen, als Frank-Walter Steinmeier offizieller Bundespräsidentenkandidat von drei Parteien wurde, twitterte Steingart: „Präsidentenwahl ohne Wahl. Die Führung in Nordkorea dürfte neidisch auf uns sein.“ Sein Text ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die „das etablierte Establishment und ihre Politiker“ verteufeln. Manch einer reibt sich verwundert die Augen, wenn er bei den letzten Wahlen und den bald wöchentlichen Meinungsumfragen die Erfolgskurve der AfD sieht. Postfaktisches Zeitalter, rassistischer und sexistischer Wahlkampf à la Trump und jetzt auch noch einen täglichen Welterklärer, der diese Entwicklung mit seinen Zuspitzungen schleichend weiter forciert.

Meine Bitte: Lesen Sie bitte den kompletten Beitrag in Carta, nicht nur den hier veröffentlichten Teil der Antwort von Peter Ruhenstroth-Bauer. Und dann Freunde informieren, den Beitrag weitersenden, teilen. Man darf das alles nicht mehr auf sich beruhen lassen. Machen wir uns Mühe.