Tag: 30. Mai 2015

Geboten

Die Gleichstellung von Lesben, Schwulen und Transgender, ist nicht etwa deswegen geboten, weil es Mehrheiten dafür gibt, sondern weil sie rechtlich und normativ richtig ist. Menschen- und Bürgerrechte gelten nicht deswegen, weil sie gerade en vogue sind. Sie gelten immer und universal. Es heißt: “Die Würde des Menschen ist unantastbar”. Es heißt nicht: “Die Würde nur jener Menschen, denen auch die Mehrheit diese Würde zugesteht, ist unantastbar”. Die Abschaffung der Sklaverei war nicht deswegen richtig, weil sich irgendwann, viel zu spät, Mehrheiten für sie fanden, sondern weil sie Unrecht korrigierte.

Aus: Carolin Emcke, Gleichstellung, in: Süddeutsche Zeitung von heute

Das Leben vor dem Tod

Es gibt heute Folter in 126 Staaten, jede Woche verhungern auf der Welt 250 000 Kinder. In den Kirchen wird mit viel liturgischem Brimborium Gott in Psalmen und Liedern gepriesen, während die Menschen mit einer ganz anderen Realität konfrontiert sind: Sie haben Bauspeicheldrüsenkrebs, oder ein Tsunami kommt, oder sie werden ermordet, oder der Islamische Staat verbrennt Leute bei lebendigem Leib. Übrigens ist das weniger schlimm, als was zu Luthers Zeiten auf dem Scheiterhaufen passiert ist. Damals haben sie die Leute an einen Pfahl gefesselt und das Holz ringsum angezündet. Die Ketzer sind langsam gestorben – und ihre Mörder haben gleichzeitig Lobe den Herren gesungen. (…) Aber die Kirchen sollten ehrlich sein und sagen: Wir wissen nicht, ob es ein Leben nach dem Tod gibt, aber wir hoffen darauf, und wer nicht an Gott glauben kann, ist kein Sünder, der muss was anderes tun. Franziskus sagte in seiner ersten Pressekonferenz an die Adresse der Atheisten: »Tut etwas Gutes, dann haben wir etwas Gemeinsames.« Also all das zu tun, was Gott offensichtlich nicht tut, aber tun müsste, wenn es ihn gäbe: Schmerzen und Armut beseitigen, Diktatoren bekämpfen, Folterer bestrafen. Auch die Theologie der Befreiung ist die Verwirklichung des Evangeliums, die Botschaft von Jesus, die Luther verschwiegen hat.

Heiner Geißler, nunmehr fünfundachtzig Jahre alt und seinerzeit Generalsekretär, also Lautsprecher seiner Partei, der Christlich Demokratischen Union, in einem bemerkenswerten Interview mit dem Magazin der Süddeutschen Zeitung, Ausgabe Zweiundzwanzig / Zweitausendfünfhundert.

Apfelbäumchen

Dreißigster Mai, schon wieder. Und also auch mal wieder Weltuntergang. Sie wissen schon: Am dreißigsten Mai ist der Weltuntergang, wir leben nicht mehr lang … Hier habe ich mich schon einmal ausgelassen übers heutige Datum. Deswegen jetzt nur Martin Luther: Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen. Heute,  morgen, einerlei. Wichtig ist das Apfelbäumchen. Und daß mal wieder Sommer wird.