Tag: 1. April 2015

Wider die medialen Windmaschinen

 

Die Medienkritik (wenn auch oft leider nicht in jenen Medien, die den Takt vorgeben), das Hinterfragen und Infragestellen der Berichterstattung, hat zumindest in den seriösen Medien einen bemerkenswerten Standard erreicht. Auch dafür gibt es ein Publikum, das bedienst sein will. Was aber nicht verhindert, dass das derart qualifiziert Kritisierte weiter geschieht. Dass die Mediatisierung zu einer Gesellschaftsneurose führt. Einer Krankheit letzten Endes, aber einer, die sich längst in der Normalität der Lebensgewohnheiten breit macht. Die technischen Möglichkeiten der zeitgleichen weltweiten Kommunikation sorgen für eine Logik der Zuspitzung, mit der einordnender Überblick ausgerechnet im subjektiven Gefühl des Informiert-Seins verloren geht. Wohl wahr: Den Treibsatz solcher Prozesse bilden die Online-Medien. Und deren Leitportale entwickeln sich insgesamt eher immer noch weiter in Richtung Dramatisierung als in Richtung zeitsouveräne Gelassenheit. Hier ist tatsächlich ein Mechanismus am Werk, der es schwer macht, vom Publikum Distanz zu fordern, während es ständig mit neuen Exklusiv-Häppchen aufgeputscht wird. Hier sorgen die technischen Möglichkeiten der zeitgleichen weltweiten Kommunikation für eine Logik der Zuspitzung, mit der einordnender Überblick ausgerechnet im subjektiven Gefühl des Informiert-Seins verloren geht. Aber was hilft’s? Gegen Sturmwellen hilft nur Standfestigkeit. Es gibt keinen anderen Weg, als Medienkompetenz – gesellschaftlich betrachtet – eben nicht nur als Konsumkompetenz zu verstehen, sondern auch als Einordnungskompetenz. Als die Stärke, Geschwätz (und sei es „Experten“-Geschwätz) von Informationen zu unterscheiden. Und das Problembewusstsein bei all den Akteuren – auch den Amtspersonen aller Art – zu schärfen, die den medialen Windmaschinen immer wieder nur zu gerne Futter liefern, und sei es nur um sich selbst wichtig zu tun. Auch den Mund zu halten kann mal ein Dienst an der Gesellschaft sein. Fragt sich dann aber auch, wem solcher Dienst noch ein Verhaltensmaßstab ist.

Aus: Richard Meng, Die Mediatisierungsneurose, in: Carta, am ersten April Zweitausendundfünfzehn