Monat: März 2015

Unser Problem

Ziviler Ungehorsam ist nicht unser Problem. Unser Problem ist ziviler Gehorsam. Unser Problem ist, daß Unzahlen von Menschen aus aller Welt den Diktaten der Anführer ihrer Regierungen gehorcht haben und in den Krieg gezogen sind – und Millionen sind aufgrund dieses Gehorsams ermordet worden. Unser Problem ist, daß Menschen aus aller Welt angesichts Armut und Hunger, Grausamkeit, Dummheit und Krieg gehorchen. Unser Problem ist, daß Menschen gehorchen, während die Gefängnisse voller unbedeutender Diebe sind, während die ganz großen Diebe die Gesellschaft anführen und ausrauben. Das ist unser Problem.

Ein Zitat von Howard Zinn,  US-amerikanischer Historiker, Politikwissenschaftler und emeritierter Universitätsprofessor der Boston University, aus dem Jahr Neunzehnhundertsiebzig, also vor schon fünfundvierzig Jahren mit ungeheurer Ahnung aufgeschrieben, heute nicht minder aktuell als zu jener Zeit.

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(„Howard Zinn“ von Jared and Corin – Howard ZinnUploaded by zro. Lizenziert unter CC BY-SA 2.0 über Wikimedia Commons http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Howard_Zinn.jpg#/media/File:Howard_Zinn.jpg)

 

Eitel Sonnenschein

Nachdem sich die Sonne schamhaft hinter einer diesigen Wand aus Dunst und Nebel vor unseren Augen und Smartphones verborgen hatte, als sie vom Mond partiell verdunkelt wurde, ist jetzt auch im Bergischen wieder eitel Sonnenschein. Frühlingsanfang eben. Mond und Dunst sind fort, das blaue Band des Frühlings kann durch die Lüfte flattern, die Kinder, die nicht auf die Schulhöfe durften, weil es ihnen an Augengläsern mangelte, haben nichts verpaßt. Es ist Freitag. Überall entwickelt sich gute Laune.

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Der Skandal ist Jauch, nicht der Stinkefinger

Der eigentliche Skandal ist die sonntagabendliche Unverfrorenheit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, der Nation statt einer ernsthaften, um Inhalte und Aufklärung bemühten politischen Gesprächssendung ein zunehmend unerträgliches Format wie “Günther Jauch” vorzusetzen, dessen gleichnamiger Moderator seit Jahren Kompetenz durch Publikumsgunst ersetzt und ansonsten ein journalistischer Totalausfall ist. (…) Der Unwille zur seriösen Darstellung, das Schielen nach quotenträchtigen Aufregern, die ignorante Wurstigkeit des Moderators – das alles sollte schon sehr lange Anlass für eine Debatte über die Qualitäts-Standards öffentlich-rechtlicher Politikberichterstattung sein.

Ulli Tückmantel in seinem Kommentar: Das Versagen der wichtigsten Politik-Talkshow der Ard. Der Skandal ist Jauch, nicht der Stinkefinger, Remscheider General-Anzeiger von heute, Seite Zwei.

Eklipse

Man mag es kaum glauben: Ich erlebe heute “meine” sechsundzwanzigste Eklipse, meine sechsundzwanzigste Sonnenfinsternis. Inclusive der Finsternis vom ersten September Neunzehnhunderteinundfünfzig, als ich noch nicht einmal ein Jahr alt war. Immerhin. Das Ereignis ist doch weniger selten, als ich zunächst gedacht hatte. In Erinnerung bleiben nur wenige dieser Sonnenverdunklungen. Einige, weil man sich im Schulunterricht pflichtgemäß vorbereiten und Glasscherben berußen mußte. Einige andere, weil man sich eine total bekloppt aussehende Plastik- oder Pappbrille mit buntem oder dunklem Glasersatz aus irgendeiner Folie besorgt und auf die Nase gesetzt hatte, gemeinsam mit anderen, Freunden, Jecken. Vor sechzehn Jahren etwa. Und wiederum einige, weil das Spektakulum so aufsehenerregend war, weil es mitten am Tage doch derart dunkel wurde, wie man es nicht erwartet hätte und es jetzt doch ein wenig Angst machte. Ob die Welt nicht doch untergehen wird? Man kann sich schon vorstellen, das die Menschen in der Frühzeit bis hinein ins Mittelalter mitunter im Mark getroffen waren ob der ungewohnt-unheilvollen Tagesdunkelheit, die, weiß Gott, nichts Gutes versprach und nur vom Teufel sein konnte. Die nächsten Finsternisse warten schon, Zweitausendsiebzehn, Zweitausendeinundzwanzig, Zweiundzwanzig und Fünfundzwanzig. Ein etwas größeres Ereignis werden wir am zwölften August Zweitausendsechsundzwanzig erleben dürfen. Neun Zehntel der Sonnenfläche sollen dann vom Mond bedeckt sein. Aber abends. Nicht mehr im Hellen. Und die wirkliche große nächste Sonnenfinsternis werden wir in sechsundsechzig Jahren erleben. Ich werde rechtzeitig in diesem Blog drauf zu sprechen kommen.

Er ist’s

Frühling lässt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
—  Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist’s!
Dich hab’ ich vernommen!

Irgendwie kennt man es oder hat es schon gelesen, das mit dem blauen Band. Eduard Mörike hat’s geschrieben, Achtzehnhundertachtundzwanzig, ein schwäbischer Pfarrer, Erzähler und Übersetzer. Und: der bedeutendste deutsche Lyriker nach Goethe, wie es heißt. Heute ist Frühlingsanfang, mit allem, mit dem blauen Band in den Lüften und den süßen Düften und den Veilchen.

Bekenntnisschule

Neunzehnhundertsiebenundfünfzig wurde ich eingeschult, in die evangelische Volksschule Porz. Neununddreißig Kinder waren wir damals in der Klasse von Fräulein Hoffman. Direkt neben unserer Schule, durch eine übermannshohe Mauer getrennt, war die Schule der katholischen Kinder, die katholische Volksschule. Einem Volk zugehörig, wurden die Kinder seinerzeit in zwei unterschiedlichen Volksschulen unterrichtet. Die fünfziger und die sechziger Jahre waren die Hochzeit dieser Bekenntnisschulen. Man spielte zwar nachmittags zusammen, aber vormittags ging man entweder in die eine oder in die andere Schule, je nach Kirchturm und Gebetbuch. Heutzutage ist die erste Schule für Kinder in aller Regel eine Gemeinschaftsgrundschule. Von den knapp dreitausend öffentlichen Grundschulen in unserem Bundesland sind zwei Drittel solche Gemeinschaftsschulen, Schulen also, in denen Kinder aller Bekenntnisse gemeinsam unterrichtet werden. Aber knapp eintausend Schulen sind immer noch öffentliche Bekenntnisschulen. In diesen Bekenntnisschulen werden die Kinder “nach den Grundsätzen des betreffenden Bekenntnisses unterrichtet und erzogen”, wie es in Artikel zwölf der Landesverfassung heißt, obwohl doch Katholiken und Protestanten längst nicht mehr die Mehrheit der Menschen ausmachen und der Anteil der Nicht- und Andersgläubigen stark zugenommen hat. Nun hat es gestern im Landtag eine Debatte um einen Gesetzentwurf der Schulministerin gegeben, nach dem nun nicht mehr zwei Drittel der Eltern gefordert sind, um eine öffentliche Bekenntnisschule in eine Gemeinschaftsgrundschule umzuwandeln, sondern schon die absolute Mehrheit der Eltern reicht. Die FDP und die CDU, so heißt es in der Presse, bekannten sich in dieser Aussprache zur christlichen Bekenntnisschule. Klar, daß die CDU als Christliche Union für Bekenntnisschulen eintritt. Aber die FDP? Die Kirche war seit dem Mittelalter Trägerin vieler, der meisten Einrichtungen im Bildungswesen. Mit der Aufklärung indes und dem aufkommenden politischen Liberalismus entstand nach und nach die säkulare Gesellschaft. Der Staat ist seither von konfessionellen Bindungen befreit. Auch ein Resultat der Arbeit der Liberalen. Und also muß der Staat eigentlich keine öffentlichen Bekenntnisschulen mehr vorhalten. Wenn Kinder im Geiste einer bestimmten Konfession unterrichtet und erzogen werden sollen, muß das auch in der Trägerschaft und finanziell zu Lasten dieser Konfession stattfinden. Öffentlich sollten Gemeinschaftsgrundschulen unterhalten werden. Und nur solche. Und der FDP stünde gut an, sich ihrer Wurzeln zu vergewissern und die Religion wieder als private Angelegenheit gläubiger Menschen zu begreifen, die nicht staatlich organisiert oder vom Staat finanziell alimentiert wird. Mir haben die vier Jahre in der evangelischen Volksschule Porz bis Neunzehnhunderteinundsechzig übrigens nicht nachhaltig geschadet, ist doch noch ein halbwegs ordentlicher Freigeist und Rebell aus mir geworden.

TV total: Lieblos produziertes Stück Fernsehschrott

Das Problem von “TV total” ist nicht mal mehr der niveaulose Witz. Mit der dreckigen Zote hat Raab immer schon polarisiert. (…) Die Show wirkt wie von alten Männern gemacht, hergestellt mit dem Humor-Werkzeug der Neunzigerjahre. Zwar ist “TV total” im deutschen Fernsehalltag eine Instanz wie die “Tagesschau”, leider aber auch genauso lustig. Raab hat die Sendung aufgegeben. (…) Wenn Raab heute in Rubriken wie dem “Erstwählercheck” junge Menschen am Rande ihrer sprachlichen Ausdrucksfähigkeit vorführt, dann ist er damit genauso menschenverachtend wie “Bauer sucht Frau”. Seine eigene Sendung ist inzwischen selbst ein Fall für kuriose TV-Fehlleistungen. “TV total” ist bei “TV null” angekommen.

Jonas Leppien, Niedergang von “TV total”: Schlag den Raab, in: Spiegel Online von heute

 

 

Atemlos

Man kann nachgerade lesen, wie atemlos der britische Rocksänger Noel Gallagher war, nachdem ihm Sabine Fischer und Julian Gutberlet von der Redaktion  “Die Welt” eine Hörprobe von Helene Fischers “Atemlos” kredenzt hatten:

“Das ist furchtbar! Gott, können wir das bitte ausmachen? Das ist genau die Popmusik, von der ich spreche. Sie bedroht heute die ganze Welt. Das ist Musik, die absolut nichts mehr bedeutet. Oder noch schlimmer: Das hier ist nicht mal Musik. Das soll in Deutschland das große Ding sein? Unfassbar! Aber man muss auch immer genau nachschauen, wer solche Songs schreibt. Das war garantiert nicht diese Helene Fischer. Das waren ein paar Typen in meinem Alter, die zu fett sind, um Rockstars zu sein, eine Glatze haben und Scheißsongs schreiben. Dieses Lied bringt irgendjemandem viel Geld. Mich macht es sehr, sehr traurig.”