Monat: Oktober 2014

Angebissenes Käsebrötchen

“Die FDP liegt wie ein angebissenes Käsebrötchen im Kühlschrank der deutschen Demokratie. Die Kruste ist längst trocken, der Käse verwelkt. Aber wegschmeißen möchte man es doch noch nicht. Hat ja mal ganz lecker geschmeckt.” Christian Unger, in seinem eigentlich ganz FDP-freundlichen Artikel unter dem Titel:  “FDP-Mitglieder müssen tapfer wie HSV-Fans sein”, im Hamburger Abendblatt.

Nebenjob

Julia Pink war nur der Künstlername der Erzieherin. Unter diesem wirkte sie in Pornofilmen mit. In ihrer Freizeit natürlich. Und dennoch hat die Diakonie Neuendettelsau die Erzieherin fristlos entlassen, wie uns die Süddeutsche Zeitung gestern mitteilte. Auch, weil die Künstlerin ihren Nebenjob nicht bei der Diakonie angemeldet hatte. Ich hätte mir gerne das Gesicht der Diakonieverantwortlichen während der Übergabe des Nebentätigkeitsantrages angeschaut.

Knacki Uli

Es geht wieder los. Uli Hoeneß soll besondere Bedingungen genießen im Knast. Privilegien. Doppelzelle, ständig warmes Wasser, Besuch, wann er will. Schreibt der Stern. Die Fußballweltmeisterschaft ist vorbei. Die Ukrainekrise plätschert so vor sich hin. An den schwachen Euro haben wir uns gewöhnt. Die große Koalition ist irgendwie zum Normalfall geworden. Selbst der IS-Terror mit den abgeschlagenen Köpfen von Gefangenen und Geiseln hat an Aufregungspotential verloren. Und Ebola ist jetzt auch schon geraume Zeit in den Schlagzeilen. Zur Geheimwaffe der Boulevardschreiber um Quoten und Auflagen wird in solcher Lage Uli Hoeneß. Der Millionär im Knast. Wahlweise der gute Mensch vom FC Bayern oder der üble Zocker, Wurstfabrikant und Steuerhinterzieher. Hoeneß hat die hinterzogenen Steuern wohl gezahlt, die Strafgelder auch. Jetzt muß er noch seine Zeit in einem Knast absitzen. Muß er? Wegen der Resozialisierung? Weil er seine Persönlichkeit im Knast verbessern kann? Damit er fürderhin all seine Steuern brav abführt? Ich bin wahrlich kein Freund des Uli Hoeneß. Der Mann war mir immer schon zu großmäulig. Ein selbsternannter Apostel. Fürs Gute und gegen alles Böse. Ein Selfmade-Messias. Aber mal ganz ehrlich: Resozialisierung? Der Mann ist sowas von ordnungsgemäß sozialisiert in der und durch die Gesellschaft, in der Gier eine passable Eigenschaft ist, in der Haben Sein bedeutet, in der Geld Macht verleiht. Erwarten wir, daß Hoeneß ohne Knast doch noch einmal zocken wird, in großem Maßstab, und die Steuern nicht begleicht? Wohl kaum. Uli Hoeneß wird, kann sich vermutlich nicht mehr ändern. Und ein besseres Mitglied der Gesellschaft kann er nicht mehr werden. Also: Laßt ihn raus aus dem Knast. Soll er doch wieder Chef der Bayernkicker werden. Und Würste fabrizieren. Seine Steuern wird er fürderhin korrekt zahlen, dessen bin ich gewiß. Hoeneß im Knast bringt der Gesellschaft keinen wirklichen Vorteil.

Gestern, heute und womöglich morgen

Nichts ist so alt wie Zeitung von, nein, eben nicht gestern, von heute. Nichts ist so alt wie die Zeitung von heute. Jedenfalls in Wermelskirchen. Links die Zeitung von gestern. Der Lokalteil imagedes Wermelskirchener General-Anzeigers. Und rechts die Ausgabe von heute. Und in beiden Ausgaben will Dankmar Stolz, Chef der Stadtmarketinggesellschaft Wir in Wermelskirchen, eine Umfrage etwas tiefer hängen. Warum auch immer. Gestern schon habe ich den kurzen Artikel nicht verstanden. Da wird etwa formuliert, daß die “grundsätzliche Bereitschaft (des WiW, W.H.) zu Gesprächen und Überlegungen” nichts mit der Größe eines E-Mail-Verteilers zu tun habe. Mal ganz ehrlich: Das verstehe ich auch heute noch nicht. Vermutlich wird dieser Artikel also auch morgen noch einmal zu lesen sein. Bis auch der verstockteste Leser, also ich, den Beitrag endlich kapiert. Ich muß mir mehr Mühe geben. Wir werden sehen. Morgen.

Dezennium

Der Bürgermeister ist, so sagt es die Gemeindeordnung in Nordrhein-Westfalen, “verantwortlich für die Leitung und Beaufsichtigung des Geschäftsgangs der gesamten Verwaltung und der gesetzliche Vertreter der Gemeinde in Rechts- und Verwaltungsgeschäften.” Der Bürgermeister ist nicht nur der Chef der Verwaltung, sondern quasi auch der erste Bürger dieser Stadt. Weshalb ihn auch jeder Verein, jede Gruppe, jeder Club, jedes Orchester, jedes Kränzchen, jede Nachbarschaft und alle, die ach so wichtig sind in einer Stadt, sehen wollen bei ihren Versammlungen, Mitgliedertreffen, öffentlichen Veranstaltungen, Konzerten, Meetings, Tagungen und Festivitäten. Morgen seit zehn Jahren, seit dem elften Oktober Zweitausendvier ist Eric Weik nun Bürgermeister in Picswiss_VD-47-72Wermelskirchen. Erfunden hatte ihn vor zehn Jahren ein Bündnis von FDP, WNK, UWG und Bürgerforum. Zuvor hatte die CDU die nahezu unbeschränkte Macht in der Stadt. Fünfundzwanzig Jahre lang war Heinz Voetmann Bürgermeister. Von Neunzehnhundertneunundsechzig bis Neunzehnhundertvierundneunzig. Ein Vierteljahrhundert lang. Sollte wirklich jemand in der Stadt leben, den Heinz Voetmann nicht gekannt, gegrüßt und freundlich behandelt hat? Heinz Voetmann war die CDU, in allen möglichen Funktionen und Gremien. Nur danach, nach Voetmanns Versetzung in den Ruhestand und der Verleihung der Ehrenbürgerwürde ging es bergab mit der christdemokratischen Allmacht. Vor fünf Jahren habe ich hier meinen ersten Artikel über die Kommunalpolitik in Wermelskirchen geschrieben und beklagt, daß die CDU nach Voetmann keinen adäquaten Kandidaten mehr gefunden hatte. “Die von der CDU gestellten Bürgermeister nach Heinz Voetmann haben alle eine Legislaturperi­ode nicht überstanden. Helga Loepp amtierte nur ein Jahr, Heinrich Niehaves und Michael Heck­mann jeweils nur eine Amtszeit. Das Amt des Bürgermei­sters ist aber kein Lehrberuf. Man braucht seine Zeit, um eine Stadtverwaltung führen zu können, die örtli­chen Begebenheiten zu kennen, kulturelle Beson­der­hei­ten zu erfahren, den Menschen, ihren Verei­nen und Organisationen bekannt zu werden, ihre Nöte, ihre Interessen und Sorgen zu erfahren, die wirtschaftli­chen und finanziellen Bedingungen der Stadt zu durchschauen.” Dieser Absatz ist zwar fünf Jahre alt, aber immer noch taufrisch. Das Amt des Bürgermeisters ist kein Lehrberuf. Was man können muß als Bürgermeister, sagt einem keine Schule, keine Universität, gewiß auch keine Partei samt Ochsentour. Ich kenne mich nicht wirklich aus in der Kommunalpolitik. Aber die Lektüre der lokalen Zeitungen und eine Reihe von Gesprächen stützen meine Vermutung, daß mindestens fünfundneunzig von einhundert Vorgängen, mit denen der Bürgermeister zu tun hat, unstrittig, konsensual, einvernehmlich mit den Stadtverordneten, den Mitarbeitern in der Verwaltung und  geräuschlos, ohne öffentlichen Rumor erledigt werden. Nur wenige Projekte sind strittig zwischen Parteien, zwischen Verwaltung und Politik. Dies gilt für Bürgermeister und FDP-Mitglied Eric Weik. Aber ebenso dürfte es für einen Bürgermeister beispielsweise der CDU gelten, der SPD oder der WNK. Mit einem Unterschied. Der amtierende Bürgermeister ist seit zehn Jahren im Amt. Er kennt die Stadt, mittlerweile. Die bergische Denkungsart. Die Vereine und Parteien und Grüppchen. Die Menschen im Rathaus und draußen. Die Unternehmen. Die Stadtteile. Die Institutionen. Die Probleme der Gemeinde, die Vorzüge, die Potentiale. Vor fünf Jahren habe ich hier geschrieben: “Warum also sollte ich dafür sein, jetzt schon wieder einen neuen Bür­germeister zu installieren? (…) Diese Stadt braucht nicht den fünften Bürgermeister seit Heinz Voetmann. Ich bin dafür, daß sich der amtierende Bürger­meister Eric Weik die Belange der Stadt auch in einer zweiten Amtsperiode zu eigen ma­chen kann. Ich bin für Kontinuität in meiner Stadt. Nicht der ständige Wechsel macht Sinn, sondern die be­harrliche und nachhaltige Lösung von Problemen.” Auch diesen Satz finde ich heute noch taufrisch, einzig aus der zweiten muß man eine dritte Amtsperiode machen. Die CDU will den Bürgermeister in der Stadt stellen. Das kann man verstehen in einer Stadt, deren Einwohner man als strukturkonservativ bezeichnen könnte. Aber sie hat keinen Kandidaten. Der Vorsitzende ist zu jung. Die anderen Verantwortlichen sind allesamt bekannt – und nicht wirklich geeignet. Also müßten sich die Christdemokraten jemanden von auswärts holen und ihn im Falle eines Wahlsieges im Training on the Job, wie es neudeutsch heißt, zum Bürgermeister ausbilden. Für die Sozialdemokraten gilt das gleiche. Und für die WNK das nämliche. Eric Weiks Arbeit in den vergangenen Jahren war gewiß nicht fehlerfrei. Aber welcher Bürgermeister konnte und könnte dies für sich  schon behaupten? Es gab und gibt keinen fehlerfreien Bürgermeister, nirgendwo, zu keiner Zeit. Auch Heinz Voetmann war gewiß nicht fehlerfrei. Es gibt keinen fehlerfreien Bürgermeister der SPD, keinen der CDU. Einen Bürgermeister der WNK gibt es ebenfalls nirgendwo. Das sind die Möglichkeiten, die sich in ziemlich genau einem Jahr bieten werden in der Stadt, wenn der Bürgermeister gewählt werden muß: Man kann Koalitionen bilden gegen den amtierenden Bürgermeister, wie beispielsweise vor fünf Jahren, als es die CDU mal mit der SPD probiert hatte, was ordentlich schiefging, erhielt Eric Weik doch fast zwei Drittel der abgegebenen Stimmen gegen die großen Parteien. Oder die größeren Parteien holen sich jeweils einen Kandidaten von auswärts, wobei jeder von denen Wermelskirchen noch gehörig lernen müßte. Oder die Parteien versammeln sich hinter dem amtierenden Bürgermeister. Ich wäre für letzteres. Jeder Bürgermeister, einmal gewählt, ist der Bürgermeister aller Bürger. Unabhängig von Parteizugehörigkeit oder politischen Präferenzen. Es gibt immer noch keinen Grund, wie ich seinerzeit schrieb, “jemanden in das Amt zu hieven, der alle diese Erfah­rungen aufs Neue machen muß, die der amtierende Bürgermeister gerade hinter sich gebracht zu haben scheint. Nicht Eric Weik verdient die (…) Amts­periode, sondern wir, die Bürger dieser Stadt. Wir haben ein Recht auf gewachsene und wachsende Kompetenz an der Spitze dieser Stadt. Wir brau­chen nicht alle Jahre wieder einen neuen Bürgermeister.” Kurzum: Sollte Eric Weik seine dritte Amtsperiode für möglich halten, wäre ein Kunststück der Parteien gefordert. Kommunikation und Verständigung Weikfrageüber eherne Parteigrenzen hinweg und ein gemeinsamer und nachhaltiger Entschluß zur Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister, die nicht in erster Linie den vordergründigen Parteiinteressen dient, sondern dem Wohl der Stadt und ihrer Bürger. Hoffen wird man ja wohl noch dürfen. Oder? Ach, für jene, die es nicht wissen sollten: Ich bin natürlich nicht in der Partei des Bürgermeisters. Nicht in der Partei und gewiß auch nicht in seinem Wahlkampfteam. Ich verwahre seit einiger Zeit das Parteibuch der SPD. Aber ein Parteibuch, ein Mitgliedsausweis kann und soll selbständiges Denken gegebenenfalls auch gegen den Mainstream einer Partei nicht verhindern. Ob meine Partei einen eigenen Bürgermeisterkandidaten hat oder finden will, hat sie noch nicht kundgetan. (© Yverdon: Skulpturen hinter dem Maison d’Ailleurs, Roland Zumbühl (Picswiss), Arlesheim (Commons:Picswiss project) http://commons.wikimedia.org/wiki/Category:10_(number)?uselang=de#mediaviewer/File:Picswiss_VD-47-72.jpg)

Allianzen, so oder so

Da sind sie seinerzeit eine Allianz eingegangen, der Politiker und der Journalist, der Macher und sein Schreiber. Der eine der Ghostwriter des anderen. Geisterschreiber, das ist ein Auftragsschreiber. Einer, der im Namen eines Auftraggebers, der selbst nicht gut schreiben kann oder will, Texte verfasst, Bücher, Reden, Kolumnen. Der Lohndichter wird in der Regel weder auf dem Einband noch im Titel erwähnt. Gelegentlich erscheint ein Hinweis im Impressum. Eine merkwürdige Allianz. Der Staatsmann, weil er auch nicht gut schreiben kann, bedient sich eines Schreiberlings, um der Öffentlichkeit dickbändige Autobiographien vorzu-, na was eigentlich, gaukeln? täuschen? legen? nun gut: vorzulegen. Dann aber wird, womöglich auf Betreiben der Politikergattin, was in diesem Fall sogar eine Berufsbezeichnung zu sein scheint, der Kontrakt gelöst. Der Schreiber soll nicht mehr im Namen des gewesenen Politikers dichten. Also schreibt er fortan unter eigenem Namen. Und bedient sich der Aufzeichnungen aus jenen guten Jahren, in denen die Allianz mit dem großen Mann noch hielt. Aus dem Autobiographiker wird ein Biograph. Also einer, der die Lebensbeschreibung eines anderen erarbeitet. Und um dem neuen Werk, dem nach der Scheidung entstandenen, den richtigen “Drive” zu geben, es mit gehöriger Wucht zu plazieren, werden Zitate, Wertungen, Urteile des Staatsmannes veröffentlicht, die an Peinlichkeit kaum mehr zu überbieten sind, die alles andere bezeugen als den gutbürgerlichen Umgang des großen Menschen mit den seinen. Der eine zieht mit Häme über seine Kollegen und Mitstreiter her, der andere nutzt die hämischen Formulierungen nun zynisch für seinen eigenen Buchabsatz. Die Allianz besteht fort. Irgendwie verdreht. Aber sie besteht. Der eine braucht den anderen. Beide brauchen sich, damit sie dem Vergessen entgehen. Beide brauchen sich, um einen Nimbus zu wahren. Der eine den des Staatsmannes. Der andere den des guten Journalisten. Nimbus. Damit ist gemeint Ruhm, ein guter Ruf, ein besonderes Ansehen. Das lateinische Nimbus steht aber auch für dunkle Wolken. Das Bild taugt mir eher. Die  dunkle Wolke. Sie verdeckt, daß der eine nicht wirklich ein die Zukunft des Landes gestaltender Politiker und Staatsmann war. Am Ende seiner Karriere sogar einer, der die Gesetze des Landes gebrochen hatte, sich uneinsichtig zeigte, die Partei höher stellte als das Land und seine Menschen. Der Nimbus des unabhängigen Journalisten ist abhanden geraten, als er zum Auftragsschreiber mutierte, der jetzt noch, nach dem Bruch mit seinem Auftraggeber, Unterlagen fleddert, Notizen, Abschriften, Kopien der Tonbänder, um mit einem, wie soll man sagen?, mit einem Rachebuch scheffeln zu können, bevor der alte Mann das Zeitliche segnet. Noblesse, bürgerliche Tugenden? Auf beiden Seiten nicht. Schade.

Dauerwelle

Karl Nessler wäre ein unbekannter Barbier aus dem Schwarzwaldstädtchen Todtnau geblieben, hätte er nicht am achten Oktober Neunzehnhundertsechs in London eine von ihm erbaute Apparatur Hair_Windingsvorgestellt, mit der man erstmalig eine Dauerwelle hat herstellen können. Und für dauerhaft gelocktes Haar mußte man seinerzeit offenbar beschwerliche Prozeduren über sich ergehen lassen, wie man bei Wikipedia lesen kann. Denn Nessler teilte drei Strähnen des Haares ab, band jede von ihnen dicht an der Kopfhaut ab, benetzte sie mit einem geheimnisvollen Gemenge und wickelte die Haare schraubenförmig auf Metallstäbe. “Mit einer selbstkonstruierten, elektrisch beheizten Zange, ähnlich den Waffeleisen, erhitzt er die hornförmig abstehenden Gebilde. Nessler muss die Zange ständig halten und bringt seinem Opfer Brandblasen bei. Die Wellung gelingt zunächst nicurlycht, erst beim 3. Versuch, wobei Nessler die Lockenwickler lange auswäscht. Die Wellung blieb und wurde „Dauerwelle“ genannt.” Puh. Brandblasen. Erstaunlich, zu welchen Leiden Trägerinnen glatten Haupthaares bereit waren, nur um der Welt das eine oder andere Löckchen präsentieren zu können. Und was heißt hier Trägerinnen? Die Herren der Schöpfung haben sich  die Dauerwelle erobert. Und wie. (© Louis Calvete, Hair Windings, sowie ©  Sebastien de Buyl, Reproduction of Diane Arbus’ “A young man with curlers at home on west 20th street”picture, shot on 35 mm film developped the old fashion way)