Tag: 24. August 2012

Zurechnungsfähig

Zurechnungsfähig. Ein interessantes Wort. Das Nomen ist die Zurechnungsfähigkeit. Und das Gegenteil die Unzurechnungsfähigkeit. Wer zurechnungsfähig ist, ist schuldfähig, kann für seine Taten, sein Verhalten zur Rechenschaft herangezogen werden. Und bei Unzurechnungsfähigkeit kann auf Schuld nicht erkannt werden. Je häufiger ich indes das Wort lese oder schreibe, desto sinnärmer scheint es mir zu sein. Zurechnungsfähigkeit scheint mit Normalität assoziiert zu sein, mit regelhaftem Verhalten, Unzurechnungsfähigkeit mit Abweichung vom Normalen, Verstehbaren, Begreifbaren. Können wir jemanden für zurechnungsfähig halten, für voll nehmen, haftbar machen, der siebenundsiebzig Menschen getötet hat, kaltblütig, planvoll? Können wir einem solchen Menschen die Zurechnungsfähigkeit zurechnen? Haben wir die Fähigkeit, angesichts des verrückt-unvorstellbaren Grauens, das in seinen Taten liegt, und angesichts der monströs-kruden Begründungen, die der Täter nach der Tat lieferte, ihm, dem Täter Eigenverantwortung, Rationalität, Autonomie, Entscheidungsfähigkeit zuzurechnen? Warum eigentlich kann nur jemand Schuld auf sich laden und für diese Schuld auch büßen müssen, der zurechnungsfähig ist? Und inwiefern ist ein Unzurechnungsfähiger schuldlos, nicht zu beschuldigen? Können wir nicht jemanden für unzurechnungsfähig und zugleich schuldfähig halten? Ist jemand zurechnungsfähig oder unzurechnungsfähig, handelt es sich also um eine Eigenschaft, oder hält man jemanden für zurechnungsfähig oder unzurechnungsfähig? Dann handelte es sich um eine Zuschreibung, ein Urteil über jemanden. Die Zurechnung der Zurechnungsfähigkeit liegt bei jenen, die urteilen. Es geht also um unsere eigene Zurechnungsfähigkeit. Von ihr hängt ab, wie viel Eigenverantwortung wir dem anderen zutrauen, wie viel Urteilskraft wir ihm beimessen, wie viel Menschliches wir in seinem Handeln erkennen. Dies heißt, die Zurechnungsfähigkeit existiert nicht einfach, sie ist nicht objektiv vorhanden, sondern direkt abhängig von demjenigen, der sie zurechnet oder nicht. Ich mit meiner Zurechnungsfähigkeit vermag dem Massenmörder keine Zurechnungsfähigkeit zuzurechnen. Diesem Massenmörder in Norwegen nicht, jenen Massenmördern nicht, die mit Bomben, Flugzeugen oder Kriegswaffen die Zivilisation hinter sich lassen. Eine Zuschreibung des Pathologischen, Krankhaften, des Wahn-Sinns, der Verrückt-Heit wäre menschlicher. Und sie läge nicht im Interesse des Täters. Ich weiß es nicht und bleibe ratlos.

Fragen

Ein paar Freunde lesen hier ja bisweilen. Gottlob. Und die möchte ich fragen: Soll ich wieder auf das alte, schlicht-weiße Design umschalten oder das gegenwärtige behalten? Mir hat das alte Outfit gut gefallen, deswegen habe ich ja so lange an ihm festgehalten. Aber ist nicht irgendwann für alles die Zeit des Wandels gekommen? Es wäre schön, hier bald das eine oder andere Urteil lesen zu können. Ist eines der beiden Designs besser lesbar? Welches ist schöner? Soll ich ein anderes Bild in der Kopfzeile verwenden? Oder häufiger das Bild austauschen? Und wenn Ihr Kritisches zu den Artikeln anmerken wollt, her damit …

Selbstversorger

Drei Milliarden Euro. Ein hübschen Sümmchen. Das sind dreitausend mal eine Million Euro, also eine drei mit neun Nullen. Um genau diesen Betrag von drei Milliarden Euro haben die deutschen Energieversorger die deutschen Verbraucher geprellt. Nur in diesem Jahr. Dies geht aus einer Analyse des Energieexperten Gunnar Harms für die Grünen-Bundestagsfraktion hervor, wie die Süddeutsche Online berichtet. “Der Atomausstieg hat nicht zu den befürchteten Preissteigerungen geführt”, heißt es in der Studie. Im Gegenteil: Die Preise im Stromeinkauf an der Strombörse sind im vergangenen Jahr um zehn bis zwanzig Prozent gefallen.  Demnach müßte der Strompreis etwa zwei Cent je Kilowattstunde niedriger sein, wenn man das Gerede vom geregelten Strommarkt ernst nehmen könnte. Dabei werden steigende Einkaufspreise stets unmittelbar an die Endkunden weitergereicht. Der Markt funktioniert lediglich bei steigenden Einkaufspreisen. Fallen diese, wird der Markt ignoriert, samt seiner Regeln. Neben den Banken und der Finanzwirtschaft haben wir es mit dem nächsten Wirtschaftssegment zu tun, das die freie Marktwirtschaft bloß behauptet. Der Studie zufolge sind die Preise für Industriekunden in den letzten Jahren um drei Prozent gesunken, “während gleichzeitig private Endkunden seit 2008 rund 20 Prozent mehr für den Strom bezahlen müssen”. Die Marktwirtschaft, die keine Marktwirtschaft mehr ist, läßt die Kleinen bluten und die Großen die Gewinne genießen. Die Energieversorger sind Selbstversorger. Nicht mehr. Der Schockwellenreiter hat Recht: “Und ich will meine alten Stadtwerke (…) wiederhaben, da hielt sich die Abzocke wenigstens noch in Grenzen (und sei es nur, weil die Stadtoberhäupter wiedergewählt werden wollten).”