Tag: 2. März 2012

Pustekuchen

Revolutionärin a.D.: Ihre Autogrammkarte aus der Zeit, als 
sie noch die erste Frau im Staate war, zeigt eine elegante Dame in Rot. Die Unterschrift: runde Buchstaben, lesbar, um Verständlichkeit bemüht. Eine Frau zum Vorzeigen. Die Autogrammkarte ihres Mannes dagegen zeigte einen Staatsmann, krawattig, randlos. Nicht unangenehm im Erscheinungsbild, 
aber einschläfernd. Seine Unterschrift: -krikelkrakel, Arztstyle. Es war sie, die Frau, die für etwas Neues stand, nicht er: Sie trug Tattoo, sie war jung, sie ging auf Partys. Er war lediglich ihr langweiliger Mann.Doch das Glück, oder wie auch -immer man es nennen will, dauerte lediglich anderthalb Jahre, dann war klar: Pustekuchen. Die Würde des Amtes fraß die Stilrevolution einfach auf. Tattoo, Eleganz, ein Lebensstil, der nicht ins Amt zu passen schien und doch gerade passte: alles vergessen. Bettina Wulff ist heute die Frau jenes Mannes, der als Bundespräsident 
auf die Fresse gefallen ist.

(Aus dem Freitag vom 1. März)

Habemus Papam!

Habemus Papam! Wolfgang Niersbach ist gewählt. Ohne Gegenstimme. Einstimmig. Nur eine Enthaltung. Seine eigene. Wolfgang Niersbach ist neuer Präsident des Deutschen Fußballbundes. Mit dem Ergebnis, das einer ZK- oder Politbüro”wahl” alle Ehre einlegte. Passend ein Statement des Neuen Oberfußballers der Republik: “Ich war nie Revolutionär oder Revoluzzer. Aber ich glaube auch nicht, dass der DFB eine Revolution nötig hat. Er braucht eher eine Evolution. Ich bin konservativ, ich mag die klaren Strukturen.” Die klaren, strukturkonservativen Strukturen mochten die grauen Herren in den Politbüros dieser Welt auch. Und auch die ebenso grauen Herren in den Zentralen der Konzerne. Bleibt nur zu hoffen, daß die aktiven Fußballer dieses Verbandes weiterhin unangepaßt, ungestüm, fortschrittlich, erfolgreich kicken werden. Und die DFB-Mannschaft bunt bleibt, im Wortsinn. Und mithin den modernen Fußball repräsentiert.

Subbotnik

Ich kann mich dunkel an eine Losung in der DDR erinnern: “Schöner unsere Städte und Gemeinden – Mach mit!” Das war, wie ich eben nachgelesen habe, eine der größten Aktionen der Nationalen Front der DDR, quasi eine staatlich gelenkte Bürgerinitiative in Form eines sozialistischen Wettbewerbs, und hatte die Verbesserung des Wohnumfeldes zum Ziel. Die DDR-Bürger waren aufgerufen, in ihrer Freizeit und an Wochenenden unentgeltliche Arbeitsleistungen vor allem bei der Verschönerung ihrer unmittelbaren Umgebung zu erbringen. Auf gut russisch: Subbotnik. Meist beteiligte man sich im Rahmen von Haus-, Wohngebiets- oder Dorfgemeinschaften, örtlichen Organisationen, Sport- oder Arbeitskollektiven. Erfolgreiche Städte und Gemeinden wurden sogar mit Urkunden, Medaillen und Geldprämien ausgezeichnet. Warum ich das jetzt schreibe? Weil ich gerade in der Bergischen Morgenpost gelesen habe, daß der Verkehrs- und Verschönerungsvereinen Stadt, Dhünn und Dabringhausen, der  Sauerländische Gebirgsverein und die Stadtverwaltung die 38. Aktion “Wermelskirchen putzmunter, saubere Stadt” ausgerufen haben. Am Samstag, dem  24. März, werden sich also wieder viele Helfer am großen Frühjahrsputz in der Innenstadt und anderen Stadtteilen beteiligen. “Doch diesmal”, so schreibt Gundhild Tillmanns in der Morgenpost,  “steht die Aktion unter einem besonders brisanten Vorzeichen: Das bürgerschaftliche Engagement, sich selbst auch aktiv um eine saubere und schöne Umgebung zu kümmern, soll und muss angesichts leerer kommunaler Kassen Schule machen.” Manfred Schmitz Mohr, VVV-Vorsitzender und Büfo-Ratsherr, wird mit den Worten zitiert, daß “noch nicht alle begriffen (haben), dass wir bei dem hohen Verschuldungstand unserer Stadt alle wieder selbst mit anpacken müssen. (…) Ich hoffe aber, dass unsere Aktion Schule macht.” Hat sie schon, Schule gemacht. WNKUWG, SPD, CDU und Grüne werden sich am “Putzmunter-Tag”, den Henning Rehse von der WNK ausgerufen hat, einem gemeinschaftlichen Unkrautjäten auf dem Rathaus-Vorplatz, beteiligen. In der Morgenpost heißt es: “Abgelehnt haben laut Rehse aber Büfo und FDP. Die Begründung: Etliche Büfo-Mitglieder seien an dem Tag bereits in den Verschönerungsvereinen engagiert, teilt Peter Scheben mit. Außerdem halte er das Arbeiten hinter dem Sperrzaun am Rathaus nicht für sinnvoll: ‘Der Bürgermeister dürfte so etwas gar nicht genehmigen’, schreibt Scheben.” Die FDP aber, vom neuen “Wir-Gefühl” beseelt, wie es neulich auf ihrem Parteitag in Wermelskirchen hieß, und in Ihrer “Durchstartphase”, hat andere Termine und beteiligt sich nicht am von Gundhild Tillmanns zu Recht beschworenen “bürgerschaftlichen Engagement”. Die WNK habe doch” genug Beute-Liberale für die Aktion”. Mit dieser Antwort soll die FDP Henning Rehse abgefertigt haben haben. Der liberale “Seitenhieb”, wie Frau Tillmanns schrieb – es ist wohl eher ein veritabler Arschtritt – , zielt auf den Parteiübertritt der einstigen Führungsmitglieder Anja und Werner Güntermann aus der FDP in die WNK. WNK und FDP werden wohl doch nicht mehr wirklich Freunde fürs Leben. Naja, die Republik wird bald nicht mehr von der FDP (mit)regiert, da wird man es ertragen können, wenn die FDP auch beim Subbotnik “Stadtentrümpelung” schon kneift. Wir-Gefühl hin, Wir-Gefühl her. Apropos Subbotnik: Von der DDR lernen, heißt siegen lernen, oder?