Monat: September 2011

Jahn contra Gauck

Am kommenden Montag werden wir ihn wieder feiern, den Tag der Deutschen Einheit. Zum einundzwanzigsten Mal. Heute, nur wenige Tage vor den Fensterreden über die gewachsene Einheit zwischen Ost und West, hat die schwarz-gelbe Mehrheit im deutschen Bundestag eine achte Novelle des Stasiunterlagengesetzes gegen die Oppositionsparteien durchgedrückt. Anlaß: Der neue, der dritte Chef der Bundesbehörde für die Stasiunterlagen, Roland Jahn, möchte fünfundvierzig seiner eintausendsechshundert Mitarbeiter loswerden. Allesamt ehemalige Mitarbeiter der Stasi. Eingestellt worden sind sie Anfang der neunziger Jahre vom ersten Behördenleiter, Joachim Gauck! Mit ihrer Hilfe sollten die komplizierten Register und kilometerlangen Aktenbestände besser erarbeitet und erforscht werden. Andere bekamen einen Job, weil sie als Fahrer oder Wachleute als relativ unbelastet galten. Doch nunmehr, 20 Jahre später, sollen  die früheren Stasi-Mitarbeiter nicht mehr in der Bundesbehörde geduldet werden. Ein schwarz-gelbes Gesetz also, das rückwirkend langjährige Mitarbeiter stigmatisiert und diffamiert sowie die Entscheidungen der bisherigen Behördenleiter als Arbeitgeber dieser Mitarbeiter auf den Kopf stellt. Im Alleingang stellen FDP und CDU damit auch rechtsstaatliche Grundsätze auf den Kopf. Ich bin für die Einheit der Deutschen. Aber für eine Einheit, die die Leistungen der ehemaligen DDR-Bürger in den letzten einundzwanzig Jahren deutlich anerkennt. Und wenn sich die ehemaligen Stasimitarbeiter in der Jahn-Behörde nichts haben zuschulden kommen lassen, dann dürfen sie eben nicht vor die Tür gesetzt werden. Wieviele ehemalige Mitglieder von Blockparteien der DDR waren eigentlich an der heutigen Bundestagsentscheidung beteiligt?

Verblödung und Unterforderung

“Selten wurden die zwei zentralen Prinzipien der deutschen Mediendemokratie – Verblödung und Unterforderung – so offenbar wie hier in der harmonischen Zusammenarbeit von Politiker und Moderator. Unversehens geronn die europäische Krise, die nicht zuletzt durch deutsches Zutun ihre Zuspitzung erfahren hat, zu einer kurzweiligen Lach- und Sachgeschichte. Hätte Jauch die Arbeit eines Journalisten gemacht, hätte er die Kanzlerin nach dem deutschen Beitrag zur europäischen Krise befragt, nach dem Zusammenhang zwischen dem phänomenalen deutschen Exportüberschuss und dem Defizit der EU-Partner. Und er hätte über den Lohnverzicht gesprochen, der den deutschen Arbeitnehmern aufgezwungen wurde und der ihre europäischen Kollegen in die Arbeitslosigkeit getrieben hat. Es liegt allerdings die Vermutung nahe, dass Jauch der beliebteste Moderator des Landes ist, weil er diese Fragen nicht stellt.” (Jakob Augstein im Freitag vom 29. September 2011 unter dem Titel: “In der gläsernen Fabrik” zum einstündigen Gespräch zwischen Günther Jauch und Angela Merkel / www.freitag.de)

Finnischer Nomadismus

Erst 2008 wurde das Nokiawerk im rumänischen Cluj eröffnet, nachdem man den nordeuropäischen Gummistiefel- und Handyhersteller mit einer Investition von 20 Millionen Euro aus Bochum fortgelockt hatte. Fast dreitausend Mitarbeiter verloren seinerzeit ihren Arbeitsplatz in Bochum. Jetzt wird das Werk in Rumänien geschlossen und zweitausendzweihundert rumänische Arbeiter verlieren ihren Job. Zwar verlangt der rumänische Staat einen Teil seiner Investitionen zurück, aber wie dieses Spiel ausgeht, hat man vor drei Jahren schon im Ruhrgebiet studieren können. Das Subventionsnomadentum von Nokia hat in nur wenigen Jahren zweistellige Millionenbeträge von Steuerzahlern in verschiedenen Ländern abgegriffen und zugleich Tausende von Arbeitsplätzen vernichtet. So geht ordinärer Kapitalismus. Von wegen Leistungseliten. Hyänen.

Arbeit muß sich wieder lohnen

Arbeit muß sich wieder lohnen und die Leistung, die man arbeitend vollbringt. So das Mantra der Partei der Leistungseliten. Welche Partei? Na, die FDP natürlich. Silvana Koch-Mehrin jedenfalls, bis zu ihrer Ent-Promovierung Bundesvorstandsmitglied der FDP und Teil der liberalen Leistungselite, hat in den letzten beiden Jahren fast alle Ausschusssitzungen des Europaparlaments geschwänzt. Der Verfassungsrechtler Prof. Dr. Hans Meyer kritisiert: “Das Verhalten, das Frau Koch-Mehrin an den Tag legt, ist für niemanden akzeptabel und schadet ihrer eigenen Partei und dem Europaparlament. Man kann ihr nur raten, entweder wieder zur Arbeit zurückzukehren oder aber aus dem Parlament auszuscheiden.” Die europäischen Steuerzahler überweisen Silvana Koch-Mehrin als Abgeordnete des Europäischen Parlamentes Monat für Monat ein Bruttogehalt von rund 8000 Euro. Zusätzlich eine allgemeine Kostenpauschale von rund 4300 Euro sowie ein Tagegeld pro Sitzungstag von rund 300 Euro. Wie war das noch? Ach ja: Leistung muß sich wieder lohnen.

Vordenker

So einfach geht das. Man setze eine Dissertation in den Teich, belüge die Öffentlichkeit nach Strich und Faden, ziehe dann mit Getöse und großer Geste den Schwanz ein, kaufe mit den Millionen des Adelsgeschlechts im Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten ein hübsches Anwesen und ergaunere sich bei einem Thinktank, einer Denkfabrik, ein wenn auch unbezahltes Pöstchen – und schon bist du ein “angesehener Staatsmann”, ein “Distinguished Statesman”, ein Vordenker in der Denkfabrik. Gut: Nicht jedem Krethi oder Plethi bietet sich diese Chance. Von und zu Guttenberg muß man schon heißen und sein. Dann aber macht auch eine stümperhaft gedachte und mangelhaft vorbereitete Bundeswehrreform nichts aus, dann sind die öffentlichen Lügen nicht mehr wichtig, das arrogante Adelsgehabe, die billige Edlen-Show, mit der die Gutti-Fans so zu beeindrucken waren. Den “angesehenen Staatsmann” kann nichts wirklich aus der Bahn werfen. Also, Silvana und all die anderen Promotionsbetrüger, hier zeigt einer, wie’s geht. Auf.

Rösler hat geliefert

Rösler hat geliefert. Die FDP. Jetzt befindet sie sich irgendwo zwischen der Partei Bibeltreuer Christen und der Tierschutzpartei. Sechs mal ist die FDP in diesem Jahr aus den Landtagen gewählt worden. Mit Ach und Krach hatte sie noch den Einzug in den Stuttgarter Landtag geschafft, darf aber dort nicht mehr mitregieren. Wer aus Verzweiflung über die drohende politische Insolvenz der Partei über die Insolvenz von Griechenland salbadert, ohne auch nur einen konstruktiven Vorschlag zu unterbreiten, hat sich als Parteivorsitzender wie auch als Wirtschaftsminister gründlich ins Abseits bugsiert. Wer den Stammtisch als Quelle politischer Weisheit zu nutzen sucht, wer sich also ins Trübe des Populismus begibt, hat den Anspruch verwirkt, dieses Land durch seine Probleme navigieren zu dürfen. Es ist wirklich Zeit für einen Neuanfang. In der FDP wie auch in der Bundesregierung.

Denkverbot

“Um den Euro zu stabilisieren, darf es auch kurzfristig keine Denkverbote mehr geben. Dazu zählt notfalls auch eine geordnete Insolvenz Griechenlands, wenn die dafür notwendigen Instrumente zur Verfügung stehen.” So unser aller Vizekanzler und Wirtschaftsminister und FDP-Vorsitzender. Denkverbote? Kurzfristige? Die Denkverbote, kurzfristig und langfristig, der Freien Demokratischen Partei: Eine angemessene Beteiligung der Besserverdienenden an den Kosten der Krise, Steuerhöhungen nämlich, ist das erste Denkverbot der Liberalen. Der Kampf gegen eine Finanztransaktionssteuer ist das nächste Denkverbot der FDP. Gemeinsame Anleihen der Länder der Eurozone, sogenannte Eurobonds: ein weiteres blau-gelbes Denkverbot. Gesetzlich verankerte Mindestlöhne – noch ein liberales Denkverbot. Die Partei der Denkverbote schwadroniert gedankenlos daher, damit sie bei den Wahlen in Berlin nicht ebenso absäuft wie bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen oder den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern.

Röslers Griechenland-Gequatsche

Ein Wirtschaftsminister, der unverantwortlich über die Pleite Griechenlands salbadert. Ein Vorsitzender der FDP, der vor den Berliner Wahlen noch einmal beim Stammtisch zu punkten versucht und dabei den DAX nach unten quatscht. Ein Vizekanzler, für den Kabinettsdisziplin ein Fremdwort zu sein scheint. Ein Außenminister, von dem kein Wort zu Europa zu vernehmen ist. Meine Güte. Was für ein hilfs- und ahnungsloses politisches Personal bietet uns die einst bedeutsame FDP. Eine geistig-politischen Wende, von der FDP und Westerwelle nach der Bundestagswahl ausgerufen, die einem den Magen umdreht.