Tag: 28. Februar 2011

Epistel über die Falschheit

Verflucht sei jener erste Schuldbefleckte,
Der vormals arge Ränke spielen ließ,
Der in den Staub die hehre Wahrheit stieß
Und Falschheit mit der Tugend Firnis deckte!
(…)
Die Welt nahm sich den Frevler zum Exempel
Und ließ die Wahrheit ohne Kult und Tempel.
Seitdem war bei den Menschen nichts mehr echt:
Die Tugend ward dem Laster preisgegeben;
Der Lump verlangte Achtung wie ein Recht
und ließ zum “höhren Geist” sich frech erheben.
Freundschaft ward selten; Doppelzüngigkeit
Trug das Gewand treuherz’ger Biederkeit.
In dieser Maske, schwer erkenntlich, barg
Sich wie ein Freund der Schurke, der Verräter.
Und so nasführt die Welt ein Übeltäter
Und meint, sie hätte seines Truges kein Arg.
Mit Abgefeimtheit, wähnt er, werd’s ihm glücken,
Und sicher fühlt er sich durch seine Tücken …
(…)

(Im Mai 1740 verfasst von Friedrich, dem Großen. Im Februar 1750 umgearbeitet und in die “Oeuvres du philosophe du Sanssoussi” aufgenommen.)
271 Jahre alt und aktuell, oder?