Tektonischer Horst

Nun also auch Horst Köhler. Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten. Ein einmaliger Vorgang  in der Geschichte des Republik. Die Kritik an seiner Afghanistan-Rede lasse, so der Ex-Präsident, “den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen.” Mit Verlaub, Herr Präsident, eine zumindest mißverständliche Rede oder eine allemal unglückselige Formulierung stehen nicht außerhalb politischer oder medialer Kritik, nur weil sie vom Bundespräsidenten stammen. Kein Präsident dieser Republik stand jemals außerhalb von Kritik. Gottlob. Jedes unserer bisher neun Staatsoberhäupter hat auch Kritik an Amtsführung oder Formulierungen ertragen müssen. Ich kann der Begründung des Präsidenten nichts abgewinnen. Vorbildlich für Politik und Gesellschaft ist sie nicht. Als hätten die Menschen im Land nicht genug Krisen, Finanzkrise, Bankenkrise, Eurokrise, Regierungskrise, kommt jetzt noch eine Präsidialkrise dazu. Weitsichtig ist Horst Köhlers Entschluß jedenfalls nicht. Unnötig, unangemessen, unbegründet. Horst, so lese ich in Wikipedia, bezeichnet in der Geologie eine Verwerfungsstruktur. In der Politik wohl auch.

2 Kommentare

  1. Diese Einschätzung teile ich nicht bzw. nur teilweise. In Zeiten größter Krise wirft man ein solches Amt nicht einfach hin, wenn der Anlaß selbst nicht groß genug ist für einen Rücktritt. Darin sind sich fast alle Kommentatoren auch weitgehend einig. Das Amt ist eher durch den unbedachten und unwürdigen Umgang mit ihm beschädigt worden, nicht durch die Kritik am Amtsinhaber bzw. an einer seiner Reden. Kritik, auch Kritik am Staatsoberhaupt, ist eine demokratisches Instrument der Meinungsbildung, eine bürgerliche Tugend und keineswegs bereits ausreichender Rücktrittsgrund. Der Rücktritt führt, im Gegensatz zur Amtsführung Horst Köhlers, wiederum zu Politik- und Parteienverdossenheit, zur Abwendung von Politik. Das, finde ich, ist ein fatales Ergebnis der Amtszeit von Horst Köhler.

  2. Auch der Bundespräsident leider nicht kalt und professionell genug! Gut, dass er eine treue Partnerin an seiner Seite hat und – Giovanni de Lorenzo & Co.
    Die ZEIT macht das Unbegreifbare verständlicher:

    “Natürlich, Kränkungen sind ihm zugefügt worden. Von einer Presse, die bisweilen die Grenze von der Kritik zur Schmähung überschritten hat. Horst Köhler hat unter dem Berliner Medientross gelitten. Er sah dort Anmaßung, Intrige und Unehrlichkeit am Werk – bis hin zum offenen Zynismus. Fassungslos konnte er feststellen, dass es vielen Journalisten »gar nicht um die Sache« gehe.”

    “Horst Köhler war vielleicht nicht gemacht für das Amt des Staatsoberhaupts. Er hätte Helfer gebraucht, Berater – und die Solidarität derer …die ihn in dieses Amt geholt haben. Köhler ist an sich selbst gescheitert; er weiß es wohl selbst am besten. Aber mehr noch hat ein Politikbetrieb versagt, in dem oft genug das kleinste Karo die größte Karriere macht. Die Selbstzweifel dieses Bundespräsidenten, man wünschte sie sich von den Selbstgewissen, die sich jetzt das Maul zerreißen und nicht merken, wie ihnen das Volk davonläuft.”

    Auch der Rest der Lektüre am 1.6. empfehlenswert!

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