Monat: Dezember 2009

Splendid Isolation

“Splendid isolation” heißt wörtlich übersetzt: „Großartige Isolation“ und ist ein Begriff aus der britischen Politikgeschichte des späten 19. Jahrhunderts. Splendid isolation bedeutet für Großbritannien, sich seine Insellage zunutze zu machen. Und das machen die Briten denn auch. Immer mal wieder. Auch am 30. Dezember 1967. Seit diesem Tag unterscheidet sich das Leben auf den Britischen Inseln durch ein kleines, aber umso delikateres Detail mehr vom Rest der Welt. Immer wieder freitags nämlich lief den britischen Katholiken das Wasser im Munde zusammen, wenn die – anglikanische – Inselbevölkerung sich den Braten schmecken ließ. London ist weit genug weg von Rom. Und also gestatteten die katholischen Bischöfe sich und ihren katholischen Insel-Schäfchen eine Sonderrolle und strichen das freitägliche Fleischverzehrsverbot. Überall sonst aber auf der Welt bleibt die katholische Kirche die Wahrerin eherner Grundsätze und Dogmen. Und freitags gibt es Fisch.

Schlüsse ziehen

“Schlüsse daraus muss Bürgermeister ziehen”, so überschreibt Andreas Weber seinen Artikel in der heutigen Ausgabe des WGA. Es geht um den Abschluß der juristischen Prüfung, die die Kreisverwaltung wegen der Vorwürfe gegen den städtischen Beigeordneten Jürgen Graef durchzuführen hatte. Ergebnis: Die Pressesprecherin der Kreisverwaltung teilt mit, daß die Vorwürfe, die Bürgermeister Eric Weik gegen seinen leitenden Mitarbeiter erhoben hatte, im Wesentlichen bestätigt worden seien. Donnerlittchen. Was war das doch für ein Getöse in der Stadt, als Bürgermeister Weik seinen Mitarbeiter öffentlich kritisiert hatte. Und CDU und SPD hatten nichts eiligeres zu tun, als gegen das Votum des Verwaltungschefs der Stadt Jürgen Graef gemeinsam in seinem Amt zu bestätigen. Der gemeinsame Bürgermeisterkandidat von CDU und SPD, Husfeldt, lobte Graef gar über den Klee. Der Vorschlag, den die Grünen seinerzeit gemacht hatten, nämlich die Stelle des Ersten Beigeordneten auszuschreiben und die Besetzung des zweiten Beigeordneten dem neuen Stadtrat zu überlassen, wurde von CDU und SPD abgebügelt. Richtig ist, daß Bürgermeister Weik nun seine Schlüsse aus der Prüfung durch die Kreisverwaltung ziehen muß. Noch wichtiger aber ist, daß die Stadtverordneten ihre Schlüsse aus dem Desaster ziehen, das die Parteien, zuvörderst CDU und SPD, angerichtet haben. Wer alles dem Machtgedanken unterordnet, wen an Sach-und Personalproblemen lediglich der Aspekt parteipolitischer Stärke interessiert, ist für ein öffentliches Amt denkbar ungeeignet. Erst das Gemeinwesen, die Stadt, dann die Partei. Schlüsse ziehen ist angesagt. Ich bin auf die Schlüsse der Parteien gespannt.

Finanztransaktionssteuer

Er denkt über eine “internationale Finanztransaktionssteuer” nach. Es gehe dabei “auch darum, diejenigen an der Bewältigung der Krise zu beteiligen, die zuvor zu ihrer Entstehung beigetragen haben”. Gysi natürlich! Nein? Dann Lafontaine! Auch nicht? Na gut, dann eben Gabriel. Nein, nein. Seehofer. Horst Seehofer, Chef der bayerischen CSU, läßt über bislang Undenkbares nachdenken. Gut so, selbst, wenn der Koalitionspartner FDP noch zickig Widerstand angekündigt hat. Bewegung kann dem Land nur gut tun, Bewegung über ideologische Grenzen hinweg.

Gute Nachrichten

Nachrichten in WDR 5. Ich traue meinen Ohren kaum. Norbert Lammert, Bundestagspräsident und mithin Inhaber des zweithöchsten Staatsamtes in der Bundesrepublik, kritisiert die eigene Bundesregierung heftig. Das gemeinsame Projekt der Regierung sei “nicht mehr zu erkennen“. Die schwarz-gelbe Koalition verbinde bestenfalls der Ehrgeiz, “ihre jeweiligen Steckenpferde gegeneinander in Stellung zu bringen”, sagte der CDU-Politiker. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz etwa, das zum 1. Januar in Kraft tritt, enthalte “neben manchen sinnvollen auch manche zweifelhafte und einige, wie ich finde, schlicht misslungene, auch nicht vertretbare Regelungen”. Die Kritik bezog sich vor allem auf die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Übernachtungen in Hotels von 19 auf 7 Prozent. Die im Gesetz enthaltenen Neuregelungen seien in der Euphorie über das Wahlergebnis zu schnell zusammengebastelt und auf den Weg gebracht worden, so Lammert. Er betonte, dem Paket ausdrücklich nicht zugestimmt und mit Nachdruck für eine andere Vorgehensweise geworben zu haben. Der Bundestagspräsident erwarte mehr Sorgfalt beim nächsten Gesetzgebungsprozess wie der geplanten Steuerreform. Spannend.

Züchtigung

Lehrlinge, so nannte man früher die Auszubildenden, hatten es in Deutschland nicht so gut wie Ehefrauen. Denn schon 1812 wurde das Recht der Ehemänner zur “mäßigen Züchtigung” der Ehefrauen abgeschafft. Lehrlinge unterstanden indes noch bis zum 27. Dezember 1951 dem Recht der “väterlichen Züchtigung” durch den Lehrherrn. § 127 a der Gewerbeordnung. Es ist noch nicht wirklich lange her, daß Aufklärung und bürgerliche Rechte sich durchgesetzt haben in Deutschland. Am gleichen Tag nämlich, dem 27. Dezember, nur gut hundert Jahre zuvor, 1848, hat die Versammlung in der Frankfurter Paulskirche die Grundrechte des deutschen Volkes verabschiedet. In der Paulskirchenverfassung waren die Freizügigkeit, die Berufsfreiheit, die Auswanderungsfreiheit, das Briefgeheimnis, die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit, die Glaubensfreiheit, die Gewissensfreiheit, die Versammlungsfreiheit und das Recht auf Eigentum garantiert. Zwar trat diese Verfassung niemals in Kraft, aber die Weimarer Reichsverfassung knüpfte 1918 endlich an die Paulskirchenverfassung an und enthielt die gleichen Grundrechte. Die Lehrlinge haben einfach noch ein bißchen länger warten müssen auf ihr Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit.

Zwischen den Jahren

Am Weihnachtstag, dem 25. Dezember, hat sie begonnen, die Zeit zwischen den Jahren. Jeder kennt den merkwürdigen Begriff. Der Weihnachtsstreß ist vorbei, Schüler und Lehrer haben Ferien, viele Arbeitnehmer machen Urlaub oder feiern Überstunden ab, manche Firmen haben geschlossen, Ämter öffnen mit einer Notbesetzung. Zwischen den Jahren. Man macht keine wichtigen Termine, geht eher locker mit den Tagen um. Die Zeit zwischen den Jahren ist eine Aus-Zeit, eine Zeit des Innehaltens, des Luftholens, für viele eine Zeit des Bilanzierens. Dabei interessiert heutzutage der historische Hintergrund für die Zeit zwischen den Jahren kaum mehr. Nämlich die Ablösung des julianischen Kalenders durch eine neue Zählweise, die Kalenderreform von Papst Gregor VIII. im Jahr 1582. Wir messen heute die Zeit mit Atomuhren, auf die Millionstel Sekunde genau. Computer, Handy, Terminkalender und viele andere Errungenschaften haben die Zeit enorm beschleunigt. Gönnen wir uns also die höchst unscharfe Zeit “Zwischen den Jahren”, dauere sie nun bis zum ersten oder gar sechsten Januar.