Tag: 4. November 2009

Das häßliche Gesicht des Turbokapitalismus

“Das ist das häßliche Gesicht des Turbokaptalismus.” Für diesen Satz, gesprochen in einer öffentlichen Debatte, hätte ich vor, sagen wir vor 25 Jahren unter anderem die Antwort bekommen: “Dann geh doch nach drüben!” Heute entschlüpft dieser Satz gar dem Mundes eines veritablen Ministerpräsidenten. Klar, die paar, die’s noch gibt von der SPD, Beck oder Platzeck. Nein. Eben im Radio, WDR5, das “Echo des Tages”. Es geht um die Entscheidung von General Motors. Opel wird nicht an Magna verkauft. “Das ist das häßliche Gesicht des Turbokapitalismus”, schmettert Jürgen Rüttgers, CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, in die Mikrophone. Interessant ist dabei nicht, ob diese Aussage auch stimmt – sie stimmt natürlich nicht, es handelt sich lediglich um eine kalte, berechnete Entscheidung der Besitzer von General Motors, auch um ein übles Spiel mit deutschen Politikern, mit den Arbeitern und Angestellten von Opel ohnehin. Aber: Es ist ganz normaler Kapitalismus, so, wie wir ihn ja seit Jahrzehnten kennen und erleben. Turbokapitalismus gibt es auch. Aber dessen Gesicht hat schon noch andere Züge. Und wir haben alle tagtäglich mit ihm zu tun, mit dem Finanzkapital, mit Banken, mit Versicherungen. Von den Gesichtszügen dieser Kapitalismusspielart lenkt Jürgen Rüttgers ab mit seinem kraftstrotzenden Satz.

Mut zur Begegnung

Als Gastmitglied habe ich den gestrigen Abend bei meiner ersten Mitgliederversammlung der SPD verbracht. Das Gastmitglied hat sicher ebensoviel Mut zu dieser Begegnung aufbringen müssen wie die “regulären” Genossinnen und Genossen. Das wesentliche Thema: Diskussion über die Wahlergebnisse der Kommunal- und Bundestagswahl. Und: Die Genossinnen und Genossen haben mich überrascht. Mit einer sehr offenen Diskussion, in der schonungslos viele Fehler und Fehleinschätzungen eingestanden, in der Wege zur Veränderung des politischen Auftretens, der öffentlichen Kommunikation mit den Bürgern, den Medien gesucht und beraten wurden. Sensibler, nachdenklicher, fragender, als man es vermuten würde, wenn die bisherigen öffentlichen Äußerungen die Meßlatte darstellen. Kein Beharren auf den bisherigen Positionen, weder auf Bundes-, noch auf der örtlichen Ebene. Nichts, keine Position, die nicht doch in Frage gestellt werden könnte. Eine offene Partei. Gut so. Und: Eine Mitgliederversammlung der SPD ist gesund. Denn von sieben bis fast elf Uhr gab es keine Gelegenheit, eine Zigarette anzuzünden.